Zwei Osteuropa-Institute bedroht – Staatspräsidenten eilen zu Hilfe

■ Weil er deutschen Ostforschern das Geld sperren will, bekommt es Kulturminister Naumann mit prominenten Lobbyisten zu tun

Berlin (taz) – Illustrer könnten die Sympathisanten nicht sein, die sich für die Erhaltung des Nordostdeutschen Kulturwerks Lüneburg und des Vereins „Göttinger Arbeitskreis“ einsetzen. Die Staatspräsidenten von Estland und Litauen, Lennart Meri und Valdas Adamkus, protestierten persönlich mit Briefen an Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen die geplante Schließung der beiden Forschungsinstitute.

Unterstützung erhielten die Einrichtungen ferner von den früheren polnischen Kabinettsmitgliedern Tadeusz Mazowiecki und Wladyslaw Bartoszewski. In Deutschland appellierten die Lehrstuhlinhaber für Osteuropäische Geschichte, das Vorhaben noch einmal zu überdenken.

Offiziell werden die beiden betroffenen Institute nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes gefördert. Doch mit den Vertriebenenverbänden, die in den Staaten Osteuropas oft als revanchistisch gelten, haben die Einrichtungen schon lange nichts mehr zu schaffen. Statt dessen haben sie sich in den letzten Jahren in Expertenkreisen einen Namen gemacht als Schaltstellen für den Austausch von Wissenschaftlern aus Deutschland und der GUS sowie Lettlands, Estlands und Litauens.

Beide geben eigene wissenschaftliche Publikationen heraus, die sich längst nicht mehr auf die historische Vertreibung von Deutschen beschränken. Darüber hinaus informieren sie über Neuerscheinungen zu Kultur und Geschichte der Region. Sie organisieren international besetzte Kolloquien und vergeben Forschungsaufträge an Geschichtswissenschaftler in der GUS und dem Baltikum.

Gerade das Nordostdeutsche Kulturwerk, aber auch der Göttinger Arbeitskreis füllen damit eine Lücke im Forschungsstandort Bundesrepublik: An keiner deutschen Universität gibt es derzeit einen Lehrstuhl für die Erforschung der Geschichte der baltischen Staaten. Ulrich Clewing