Backfischverhalten

■ Die drei „Fabulous Singlettes“ mit ihrer Girl-Group-Show in der Bar jeder Vernunft

Die Marshmallows, die sie großzügig an das Publikum verteilen, sind so quietschesüß wie ihre Show und so grellpink wie ihre tollen Frisuren. Mit sehr hochtoupierten Beehives und falschen Zöpfen stöckeln die drei Damen stolz von down under über die Bühne und schmettern gewaltig mit ihren absolut perfekt harmonisierenden Stimmen los.

Die Fabulous Singlettes – die selbstbewußt-draufgegängerische Naomi Eyers, das pummelige Blondchen Lisa Shipley und die schüchterne Alison Jiear – lassen noch einmal die Girl Groups der späten 50er und der 60er Jahre erstehen. Schamlos, aber mit viel Respekt wildern sie in den Hits der Supremes, Shangrilas und den Crystalls, bei Tammy Wynette und Dusty Springfield. Das sind Lieder von sittsamer Unschuld, großen wahren Leidenschaften und schmachtender Sehnsucht.

Die Ahnen der Spice Girls hatten damals noch handfestere Probleme – „boy problems“: Wie sie kriegen, wie sie behalten und was mit ihnen anstellen. Es hat schon einen gewissen rührigen Charme, wie diese drei Singlettes, allesamt wirklich reichlich jenseits der 30, sich noch einmal selbstironisch ihre Zeit als kichernde und pubertierende Teenager und ihre verklemmt-spießige Ersterfahrungen mit dem männlichen Geschlecht zurückbeamen.

Spaß ist angesagt bei soviel reanimiertem Backfischverhalten. Viel Zeit zum Plaudern über Männer, verpaßte Chancen und ihre weiblichen Lebensentwürfe („Housewife and mother. That be enough for every woman“) lassen sich die drei Damen dabei nicht. Gnadenlos folgt Hit auf Hit. Bei „Time Is On My Side“ röhrt die Soulstimme, beim tödlichen Motorradcrash des „Leader Of The Pack“ weht der Trauerschleier tragisch über dem verheulten Gesicht. Und spätestens wenn bei „Dancing Queen“ die Disco-Kugel zu routieren beginnt, die drei Ladys nunmehr in weißen Capes und silbernen Stiefeln zum glitzernden Abba-Trio mutiert sind, haben auch hier endlich die siebziger Jahre Einzug gehalten und die Party bricht endgültig so richtig ungezügelt los.

Die exquisite fünfköpfige (rein männliche) Band liefert den tadellosen Sound, die Damen sorgen stimmgewaltig für authentische Interpretationen, die sich dann aber doch weit über das reine Remake der altbekannten Hits hinausbewegen. Alles sitzt – jede Geste, fast jede Pointe und sämtliche durchchoreographierten Bewegungen. Selbst das Wackeln mit dem Hintern paßt taktgenau. Der Beat steckt an und der Gedanke, es letztlich hier eigentlich mit einer Oldie-Show zu tun zu haben, verfliegt so schnell wie die Kostüme wechseln. Axel Schock

Bar jeder Vernunft, Schaperstr. 24, Wilmersdorf, bis 21. August, dienstags bis sonntags 20 Uhr 30