Schöner Zug

■ Barry Sonnenfelds „Wild Wild West“ ist nicht chauvinistisch

Weiß eigentlich noch jemand in Hollywood, wie man eine Frau fotografiert? Welches Licht, welche Kameraposition, welcher Rahmen notwendig ist, so daß der Zuschauer, auch wenn er schon fünf schöne Frauen in dem Film gesehen hat, bei ihrem ersten Auftritt sofort weiß: Die ist es! Die Schöne, die Geliebte. Die eine.

Die in Mexiko geborene Schauspielerin Salma Hayek ist eine wunderschöne Frau. Viele Tricks wären da nicht nötig. Warum beachtet sie niemand, wenn sie das erste Mal auftritt? Drehbuch, Kamera, unsere Helden – niemand interessiert sich für sie. Wer soll ihr denn beim zweiten Auftritt glauben, daß sie plötzlich fähig ist, Liebesglut zu entfachen? Kein Mensch. Da kann sie ihren nackten Popo entgegenstrecken, wem sie will. Hayeks Rolle als Femme fatale, um die zwei ganz unterschiedliche Männer streiten, ist schon mit ihrem Entree gestorben.

In Barry Sonnenfelds Western „Wild Wild West“ führt Michael Ballhaus die Kamera. Mit Frauen kann er nichts anfangen, aber die Lokomotive fotografiert er sehr schön. Schornstein und Kessel rollen ins Bild, so riesig wie Godzilla auf Kriegspfad. Der Kessel blinkt und sprüht wie die Karosserie von James Bonds (früherem) Aston Martin. Sehr schön fotografiert ist auch der Saloon. Er ist riesengroß, wie ein venezianischer Palast. Die Huren mit ihren leichenblaß geschminkten Gesichtern, auf denen das Rouge wie ein fiebriger Ausschlag leuchtet, scheinen direkt aus Fellinis „Casanova“ hereinspaziert zu sein.

Sonnenfeld und Ballhaus haben Maschinen und Orte mit Hingabe inszeniert. Nur für ihre Helden ist ihnen nichts eingefallen. Will Smith als Revolverheld, der erst schießt und dann fragt, und Kevin Kline als Ästhet, der Gewalt zutiefst verabscheut, dafür die Kunst der Verkleidung beherrscht – aus diesem Gegensatz hätte man doch irgend etwas machen können? Liebevoll durchdacht ist an den Personen nur das Outfit: Die mörderischen Kumpane des Schurken Loveless werden von drei sehr großen Frauen gespielt, deren Kostüme ihren Hüften eine überzeugende walkürenhafte Dimension geben. Der Bösewicht selbst trägt einen aufwendig ziselierten Bart, der kunstvoll Jugendstileinflüsse und abstrakte Kunst vereinigt. Dann war aber auch schon Schluß mit den phantastischen Einfällen: Loveless bleibt ein Bart, sonst nichts. Immerhin, Chauvinismus kann man dem Regisseur nicht vorwerfen.

Anja Seeliger

„Wild Wild West“. Regie: Barry Sonnenfeld. Kamera: Michael Ballhaus. Mit Will Smith, Kevin Kline, Salma Hayek, Kenneth Branagh u. a., USA 1999