Jahrhundertsturm

Von „Alex“ bis „Nicole“: 1998 zogen vierzehn Hurrikans über Zentralamerika – am schlimmsten war „Mitch“. Das genaue Ausmaß der Katastrophe wird nie bekanntwerden. Offiziell sind über 26.000 Menschen tot oder vermißt; mehr als 1 Million wurden obdachlos. Der materielle Schaden wird auf 6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ernten und Infrastruktur wurden zerstört. Dazu kommen Krankheiten: Durchfall und Fußpilz waren noch die harmlosesten. In vielen Gebieten wurde der Seuchennotstand ausgerufen: Leptospirose, Malaria, Cholera und Denguefieber.

In Honduras schätzt die Regierung den Schaden auf über 2 Milliarden Dollar. 15.000 Menschen sind tot oder vermißt, eine halbe Million der 6 Millionen Einwohner ist obdachlos. Fast alle Brücken und Straßen wurden zerstört, 70 Prozent der Grundnahrungsmittel Bohnen und Mais vernichtet, 40 Prozent der Kaffee-Ernte gingen verloren. 1998 konnte nicht eine Banane exportiert werden – Dole und Chiquita entließen 16.000 Arbeiter. Die schmale Mittelschicht hatte nur kleinere Unannehmlichkeiten, etwa weil die Wasserversorgung ausfiel. Die wenigen Reichen wurden nicht gestört: Ihre Villen haben eigene Zisternen.

Auch Nicaragua wurde von „Mitch“ heimgesucht: 4.000 Tote, 7.000 Verschwundene und 1,4 Milliarden Dollar Schaden. El Salvador wurde mit „nur“ 500 Toten und 1,2 Milliarden Dollar Schaden nicht ganz so hart getroffen.

Nach dem Hurrikan kamen so prominente Katastrophentouristen wie Hillary Clinton, George Bush oder Jacques Chirac. Tipper Gore, die Frau des US-Vizepräsidenten, übernachtete in einem Flüchtlingszelt. Die deutsche Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul jettete mit 40 Millionen Mark, zwei Schlauchbooten und Medikamenten nach Honduras.

Von den Ärzten ohne Grenzen über Care bis zu medico und dem Informationsbüro Nicaragua machten sich Helfer auf den Weg. Besonders viele kamen aus Städten wie Hamburg, Bremen oder Freiburg, die Partnerstädte in Zentralamerika haben. Nicht alle Helfer waren willkommen: Als Kuba 2.000 Ärzte entsandte, verweigerte El Salvador ihnen die Einreise. Auch Nicaraguas Präsident Arnoldo Aleman wies die Hilfe des Klassenfeinds zurück. Er zog Weltbank und IWF vor.

Die Finanzorganisationen unterstützen einen Schuldenerlaß für Honduras (4,3 Milliarden Dollar) und Nicaragua (6 Milliarden). Frankreich und Österreich erließen ihre Schulden; Deutschland schloß sich nicht an. Immerhin räumten die Staaten und Banken des „Pariser Clubs“ ein Schuldenmoratorium von drei Jahren ein.

Martin Ebner