Bei Ausbildung Geldbuße

Junge Afghanin in den Mühlen der Bürokratie: Sie will arbeiten, das Arbeitsamt untersagt es, Sozialamt droht Kürzung an  ■ Von Karin Flothmann

Eine Paradoxie ist ein Widerspruch in sich, schreibt der Duden. Paradox ist demnach die deutsche Bürokratie. Die Afghanin Homa W. weiß das inzwischen. Was sie in der Schule gelernt hat, möchte sie jetzt gern erproben. Eine Erlaubnis dafür erhält sie jedoch nicht.

Seit vier Jahren lebt Homa W. in Hamburg – zusammen mit vier Schwestern und der Mutter. Noch in Afghanistan machte sie ihr Abitur, damals mit einem Notendurchschnitt von 1,3. In Hamburg wurde ihr das als Realschulabschluß anerkannt. Die junge Frau lernte Deutsch, ging noch einmal zur Schule und hält seit diesem Jahr ein Abschlußzeugnis der Höheren Handelsschule in Händen. Seither arbeitet die heute 24jährige manchmal als Küchenhilfe. Das Sozialamt drängelte, sie solle sich endlich eine Arbeit suchen. „Es hieß, andernfalls wird mir die Sozialhilfe gekürzt“, erzählt Homa W. Doch die Auswahl an Jobs ist nicht groß.

Dabei hätte Homa W. ab August eine Lehre als Bürokauffrau beginnen können. Schon vor einem Jahr machte sie sich auf die Suche und bewarb sich. Ein Busunternehmen wollte sie haben, immerhin spricht die junge Frau fließend Russisch, das paßte ins Firmenprofil. Anfang des Jahres beantragte Homa W. eine Arbeitsgenehmigung beim Arbeitsamt. Im März erhielt sie Antwort: „Bei der gegenwärtig hohen Arbeitslosigkeit kann die Arbeitsgenehmigung leider nicht erteilt werden, weil dadurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer beeinträchtigt werden würden.“

Im Nachsatz weist das Arbeitsamt „ausdrücklich darauf hin“, daß Homa W. und ihr potentieller Arbeitgeber ordnungswidrig handeln, wenn sie die Lehre trotz fehlender Erlaubnis antritt. „Die Geldbußen können für Arbeitnehmer bis zu 10.000 Mark, für Arbeitgeber bis zu 500.000 Mark betragen.“ Homa W. legte Widerspruch ein, doch der wurde als unbegründet abgelehnt.

Der Busunternehmer bot der 24jährigen daraufhin ein bezahltes einjähriges Praktikum an. Nur mit Hilfe eines solchen Praktikums erlangen AbsolventInnen einer Höheren Handelsschule das Recht, eine Fachhochschule zu besuchen. Vor einer Woche verweigerte das Arbeitsamt auch hier die Erlaubnis. Die gibt es bei bezahlten Praktika nur, „wenn sie integraler Bestandteil einer schulischen Ausbildung sind“, erläutert Uwe Thele, Leiter der Ausländerstelle im Arbeitsamt. Manchmal sei das im Studium der Fall, etwa bei den Ingenieurswissenschaften.

Homas jüngere Schwestern, die alle noch zur Schule gehen, könnten hingegen eine Arbeitsgenehmigung bekommen. „Menschen“, so erklärt Thele, „die jünger als 18 waren, als sie nach Deutschland einreisten, und die hier einen Schulabschluß erlangen, haben anschließend einen Rechtsanspruch auf eine Arbeitsberechtigung.“ Homa W. hingegen hatte das Pech, mit 20 nach Hamburg zu kommen. Menschen wie sie, so Thele, haben „frühstens nach sechsjährigem ununterbrochenem Aufenthalt die Möglichkeit, eine Arbeitsberechtigung zu erhalten“.

Frühestens ab Dezember 2001 dürfte Homa W. also eine Berufsausbildung machen. Dann ist sie 26 Jahre alt. Zur Zeit erhält die junge Frau nur eine Arbeitserlaubnis für zwei Stunden pro Tag. Verdienen darf sie höchstens 630 Mark pro Monat. Arbeiten darf sie nur in drei Branchen, sagt Thele, nämlich als Küchenhilfe, Putzfrau oder Zeitungsausträgerin. Eine Zeitlang jobbte Homa W. in der Küche eines Altenheims. „Ich scheu mich nicht vor diesen Arbeiten“, sagt sie, „aber dem Sozialamt ist damit doch auch nicht gedient.“

Bis 2001 haben Homa W. und ihre Familie eine Aufenthaltsbefugnis in Hamburg. Und auch danach wird sie hierbleiben können. Schon seit zehn Jahren schiebt Hamburg keine Ausländer mehr nach Afghanistan ab. An dieser Praxis wird sich nach Einschätzung der Ausländerbehörde in absehbarer Zeit auch nichts ändern.

„Wirtschaftlich gesehen“, bilanziert Homa W. ganz kühl, „sind die Kosten für meine Schulausbildung in Hamburg umsonst gewesen.“ Und auch dem Hamburger Arbeitsmarkt kommt der Fall Homa W. nicht zugute. Der Busunternehmer, der die Afghanin zur Bürokauffrau ausbilden wollte, hat die Faxen dicke. Die Lehrstelle wird zum 1. August nicht besetzt.