Polizei streicht Kriegsverbrecher

■  In einer Nacht-und-Nebel-Aktion übermalten Beamte ein sechs Wochen altes Wandbild in Kreuzberg. Schröder, Fischer, Clinton und Milosevic sollen verleumdet worden sein

Verbrecher gibt es überall, Kriegsverbrecher sind auch nicht selten. Kein Wunder, dass sich die Berliner Polizei alle Mühe gibt, diese Gestalten dingfest zu machen. Am Wochenende wurden die Beamten fündig: „Kriegsverbrecher“ stand auf einem Wandbild in der Kreuzberger Manteuffelstraße Ecke Oranienstraße. Und darüber die mehr oder weniger gut gemalten Konterfeis von Fischer, Clinton, Albright, Scharping, Schröder und Miloševic.

Den Beamten war diese Namensliste offenbar nicht ausgeglichen genung. Also rückten knapp zwei Dutzend Polizisten am Samstagmorgen gegen sieben Uhr an, den Schandfleck zu übertünchen. Mit grauer Farbe. Ulf M., einer der Initiatoren des Wandbildes, zeigte sich gestern darüber „echt erstaunt“. Schließlich klebe das Riesenplakat schon seit Anfang Juni. Ulf M.: „Wir wollten mit dem Bild gegen den Krieg protestieren.“ Die Polizei fand das nicht gut. „Hier hat der Straftatbestand einer Verleumdung vorgelegen“, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Man habe „sofort eingreifen“ müssen. Allerdings habe die „rechtliche Würdigung“ dieser Straftat etwas länger gedauert.

Ärger hat es hier öfter gegeben: Kaum eine Mauer in der Stadt war in der Vergangenheit so umkämpft wie die am Görlitzer Bahnhof. Bereits am 18. April 1997 war eine Polizeieinheit angerückt, um die Wand mit weißer Farbe zu verschönern. Grund: Einen Tag zuvor hatten sich dort noch Porträts von Goebbels, F. J. Strauß und Klaus Landowsky befunden. Dazu das berühmte Zitat des Berliner CDU-Fraktionschefs: „Es ist nun mal so, dass, wo Müll ist, Ratten sind und dass dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel ist. Das muss in der Stadt beseitigt werden.“ In der Folgezeit wurde viel Farbe verbraucht: Während die Kreuzberger Kiezmaler immer wieder „auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung“ pochten, rückten die Beamten mit allerlei Tünche an, um der „Verleumdung und Beleidigung mit politischem Inhalt“ Einhalt zu gebieten, bis schließlich ein Gericht der Polizei Einhalt gebot.

Alles sieht derzeit nach Wiederholung aus. Die Maler jedenfalls wollen die gute Grundierung für weitere Bilder nutzen. Ulf M.: „Die Farbkanonen werden so schnell wie möglich aus dem Keller geholt.“ Nur das Motiv sei noch völlig unklar. Die Kreuzberger warten schon gespannt darauf. Wie die Polizei: Sollte die öffentliche Ordnung wieder gestört werden, würden die Beamten sofort ausrücken, versicherte der Polizeisprecher. Nur der zuständige Abschnittsleiter ist nicht begeistert: „Tun Sie mir das nicht noch einmal an!“, bat er Ulf M.

Richard Rother