„Weg vom Image der Anstalt“

Evangelische Stiftung Alsterdorf will sich dem Stadtteil öffnen. Behinderte sollen künftig nicht mehr in Wohnheimen leben  ■ Von Karin Flothmann

Die Zufahrt erinnert an den Eingangsbereich einer Kaserne. Gebäude aus Backstein lassen den Muff der Jahrhundertwende vermuten. Hohe Zäune sorgen dafür, dass die Menschen hier unter sich bleiben. Seit 1863 residiert an der Sengelmannstraße die Evangelische Stiftung Alsterdorf. Rund 700 Behinderte leben heute noch auf dem ein Quadratkilometer großen Areal. 3000 Behinderte nutzen die Angebote in Werkstätten und Therapieeinrichtungen. Doch wer in der nahegelegenen Gartenstadt wohnt, weiß oft nur, dass sich hinterm Zaun eine Anstalt verbirgt.

Das soll sich ändern. In Zukunft, so erläuterte gestern Rolf Baumbach, Vorstandschef der Stiftung, „wollen wir weg vom Image der Anstalt und hin zum Stadtteil“. Die Zäune sollen fallen, die Grünflächen sollen ihren Parkcharakter zurückerhalten, in der alten Wäscherei entsteht eine Ladenpassage, und die alte Küche wird künftig eine Kulturwerkstatt beherbergen. „Wir bemühen uns sogar, einen Wochenmarkt aufs Gelände zu bekommen“, sagt Baumbach.

Zukunftssicherung heißt das Schlagwort, unter dem diese Pläne derzeit verbucht werden. Noch 1995 sah diese Zukunft für die Stiftung düster aus. Millionenverluste machten eine Sanierung unumgänglich. „Die ist erfolgreich abgeschlossen“, konstatiert Baumbach. Seit drei Jahren schreibt die Stiftung wieder schwarze Zahlen, im vorigen Jahr mit einem Jahresüberschuss von 2,2 Millionen Mark.

Möglich wurde dies nicht zuletzt durch das „Bündnis für Investition und Beschäftigung“, auf das sich die 3159 MitarbeiterInnen der Stiftung im vorigen Jahr mit ÖTV und Vorstand einigten. Seit März 1998 sind danach die Gehälter aller Beschäftigten eingefroren. Bis zum Jahr 2003 verzichten alle auf Tariferhöhungen. Das dadurch eingesparte Geld – bis Ende Juli diesen Jahres immerhin 5,9 Millionen Mark – bleibt Investitionen vorbehalten. Auch die Mitarbeiter der Stiftung haben etwas von dem Deal; bis zum Jahr 2005 gilt für sie Kündigungsschutz. Außerdem wird ein Teil des Geldes in einen Sozialfonds eingezahlt, der allen Beschäftigten langfristig Unterstützung gewähren soll.

Und da Sanierung in Alsterdorf Modernisierung heißt, sollen auch die Behinderten profitieren. „Unsere großen Wohnheime werden wir schließen“, erläutert Baumbach. Im kommenden Jahr etwa soll das Hochhaus auf dem Stiftungsgelände mit 170 Wohnplätzen abgerissen werden. Mindestens 350 Behinderte, die bisher noch in Alsterdorf wohnen, sollen künftig in eigenen Wohnungen über ganz Hamburg verstreut leben. Erste Ansätze sind hier gemacht: Unlängst zogen mehrere Behinderte nach Fuhlsbüttel. Sie leben jetzt in einem kleinen, aber feinen Neubau mitten in einem Wohngebiet.