Schaafs Stil macht sogar Pummel Beine

■ taz testet die Liga (IV): Werder Bremen wird die Bundesliga schwindelig spielen, hat aber leider nur einen Marco Bode

Wird Fußball gespielt? Es wird! Die Republik wird sich schwer umgucken, wenn die Mannschaft tatsächlich das umsetzt, was Trainer Thomas Schaaf draufhat. Wenn er die Profis auch nur halb so offensiv kicken lässt wie in der letzten Saison seine Werder-Amateure, dann wird es endlich mal wieder eine Mannschaft in der Liga geben, die Hurra-Fußball spielt. Wird er natürlich nicht; Hurra-Fußball, ich bitte Sie! Aber trotzdem: Werder wird mit Viererkette auftreten und den Gegner durch flotten Kurzpass-Kick schwindelig spielen. Beim Pokalfinale gegen die Bayern hats ja schon geklappt, und in der Vorbereitung liefs auch nicht schlecht.

Wer hilft? Eine komplett neu zusammengewürfelte Führungsriege mit Vorstand und Aufsichtsrat – ganz wie bei anderen Großclubs. Vorwärts in der Fernsehvermarktung mit Aufsichtsratsmitglied Jörg Wontorra und fußballerisch aufwärts mit Sportdirektor Klaus Allofs.

Wer stört? Die unendliche Bremer Bräsigkeit. Trotz der Beinahe-Katastrophe zum Ende der letzten Saison haben sich die Werder-Oberen so lange Zeit gelassen mit der Besetzung des Trainer- und des Sportdirektor-Postens, dass größere Transfers kaum mehr möglich sind. Thomas Schaaf und Klaus Allofs sitzen auf einem grandios aufgeblähten Kader, dessen erste Garnitur aber ziemlich klein ist. „Wir verpflichten nicht noch einen Ergänzungsspieler“, sagen sie unisono – Betonung auf „noch“, was heißt, dass Ergänzungsspieler schon genug da sind. Ob Werder trotz neuer Spielkultur dieses Personalproblem übersteht, das ist eine der spannendsten Fragen der neuen Saison.

Taugt der Trainer? Jawohl! Thomas Schaaf ist nicht allein der Feuerwehrmann, der den Verein vor dem Absturz bewahrt hat. Er bringt den Kickern auch noch ein flottes Kurzpass-System bei (siehe oben) – kaum zu glauben. Damit wird er allerdings an die Grenzen der Fähigkeiten seiner Mannen stoßen. Trotzdem ist das allemal besser als das grauslig unorganisierte Gekrepel der letzten Jahre. Nur mit dem mediengerechten Sprechen haperts noch ein bissel. Aber das hat er schließlich (siehe unten) mit seinem Besten gemein.

Taugt der Torwart? Was für ne Frage! Hat jemand die letzten Pokalspiele gesehen? Wie Frank Rost die Wolfsburger und die Bayern in den Wahnsinn getrieben und den entscheidenden Elfer im Finale mal eben selbst verwandelt hat? Rost hat seine anfänglichen Unsicherheiten längst abgelegt und ist dabei, seine überreichlichen Fähigkeiten dank wachsender Routine mit der nötigen Nervenstärke zu unterfüttern. Ein Klassekeeper ist er schon, Extraklasse kommt noch. Dahinter steht Stefan Brasas, ein höchst loyaler zweiter Mann. Und der junge Amateurkeeper Pascal Borel – denkt an meine Worte! – wird in ein paar Jahren Rost schwer zusetzen.

Was tun die Neuen? Die Neuen? Sind eine durchaus überschaubare Kleinstgruppe. Kein Bundesliga-Verein hat weniger investiert als die Bremer. Einer der Neuen dürfte im Team gesetzt sein: Neo-Nationalspieler Frank Baumann ist ablösefrei vom 1. FC Nürnberg gekommen und Schaafs wichtigste Figur in der neu gebastelten Viererkette. Der polnische Nationalspieler Jacek Chanko muss sich noch seinen Platz erobern. Und der 19jährige Senegalese Mamadou Thiob ist, das können nicht nur die Bayern, eine mittelfristige Investition. Interessant könnten zwei Kicker aus dem eigenen Stall werden: Der namibische Nationalspieler Razundara Tjukuzu ist von den Amateuren zu den Profis gestoßen und gilt schon lange als Großtalent. Mittelstürmer Sören Seidel wurde von Hannover 96, an das er ausgeliehen war, wieder zurück an die Weser geschickt – ob er nach seiner Toreserie in den Vorbereitungsspielen wieder abgegeben wird, scheint eher fraglich.

Wie schießt man Tore? Wenn Marco Bode vorlegt. Immerhin spielt der beste Vorbereiter der Liga bei Werder – der aber dummerweise in der letzten Saison die meisten Tore auch noch selbst machen musste. Daran wird sich wohl kaum was ändern – und damit hat Werder vor allem ein Stürmerproblem. Bogdanovic schwächelt seit Monaten, und der millionenschwere brasilianische Pummelstürmer Ailton hat bislang keine großen Ambitionen erkennen lassen, sich in die Mannschaft integrieren zu wollen. Mittlerweile müht sich Deutschlehrerin Nummer vier, dem Großverdiener Minimalstkenntnisse deutscher Verbalkommunikation beizubiegen. Bleibt noch die vage Hoffnung auf Heimkehrer Sören Seidel.

Wer ist der Beste? ER. Ohne IHN würde die Mannschaft jetzt in der zweiten Liga kicken, und den Pokal hätten sie nimmermehr gewonnen. Denn ER spielt wieder wie weiland bei der EM in England: Dieter Eilts ist nicht zu ersetzen. Nach wie vor hapert es vor den Kameras mit der Rhetorik, aber bitte schön, warum soll der Käpt'n mehr plaudern als sein Vorgesetzter (siehe oben)?

Folge: Angesichts der eher durchschnittlichen personellen Besetzung wirds wohl kaum tabellarische Sensationen geben. Aber: Schaaf macht lustig! Die Spieler und die gebeutelten Bremer Zuschauer werden endlich wieder Spaß am Fußball haben. Das Heimgegurke des Vorjahrs wirds in dieser Saison nicht geben. Und weil die Vereinsbosse – wenns denn so kommt – Thomas Schaaf in Ruhe arbeiten lassen werden ... Ach, fragen Sie mich doch Anfang nächste Saison noch mal. Da heißt es dann: Zieht Euch warm an, Bayern!

Gefühlter Tabellenplatz: Doch, doch: sieben. Jochen Grabler