Immer weniger Lust auf Pflege

■ Zivis bevorzugen eine Arbeit als Fahrer oder im Umweltbereich. Für die Verbände ist die Verkürzung des Zivildienstes problematisch

Zivildienstleistende haben sich in den vergangenen 20 Jahren in den unterschiedlichsten Vereinen, Institutionen und Organisationen unentbehrlich gemacht, sogar auf einsamen Inseln in norddeutschen Watt. Einen „indirekten Zuschuß vom Familienmisterium“ für den Naturschutz nennt Uwe Schneider vom Verein zum Schutz der Seevögel in Ahrensburg seine 20 Zivis, die für ihn Reservate zwischen Helgoland und Rügen betreuen. Nur fünf Hauptamliche kann sich der Verein leisten – ohne Zivis, so Schneider, „ginge gar nichts mehr“.

„Wir brauchen unser Zivis“, schreien alle, denen man die billigen und meist sehr motivierten Arbeitskräfte wegnehmen will. Zivis sind zu Leistungsträgern geworden. Florian Schierle zum Beispiel. Erwar 1997/98 einziger Zivi bei einem Tübinger Sportverein. Morgens Verwaltung, nachmittags Übungsleitertätigkeit, so beschreibt er seine Funktion – ein Vollzeitjob. Neben ihm arbeitete nur noch eine hauptamtliche Halbtagskraft in dem Verein.

Dass Zivis wie normale Areitnehmer eingesetzt werden, ist auch bei Wohlfahrtsverbänden keine Seltenheit. Der 21-jährige Sascha Samuleit arbeitet bei „Essen auf Rädern“ in Freiburg, wo 13 Zivis einer Einsatzleiterin unterstellt sind. „Wenn jemand von uns krank wird, kann es schon mal stressig werden“, so er. „Ansonsten habe ich einen ganz normalen Achtstundentag.“

In dem klassischen Einsatzbereich Pflege müssen immer mehr Einrichtungen auf Zivis verzichten, denn vielen jungen Männern ist dieser Dienst am Nächsten zu schwer. Horst Klahn, der Heimleiter des Alten- und Pflegeheims Park Bergheim in Stuttgart, beschäftigte 1991 noch ein Dutzend Zivis auf den Pflegestationen, heute ist es nur noch einer. Drei weitere arbeiten als Hausmeister.

Das Problem vieler Einrichtungen: Zu den billigen Zivis gibt es keine Alternativen. Hätte Horst Klahn nicht unzähligen freiwillige HelferInnen in seinem Heim, um die Engpässe zu überbrücken, wäre er aufgeschmissen. Darüber hinaus werden die 630-Mark-Jobber teurer – für sie müssen nun Sozialbeiträge abgeführt werden –, und jetzt solle auch noch den Zivildienst gekürzt werden. „Die Länge des Zivildienstes spielt für uns schon eine Rolle“, so Klahn. „Schließlich haben Zivis ja auch Urlaubsanspruch, und man muß sie ja erst einarbeiten. Da sind elf Monate verdammt kurz.“

Überall dort, wo Zivis wie Vollzeitarbeitskräfte im Einsatz sind, droht der Konkurs. Dabei war der Zivildienst nie als tragende Säule ganzer Arbeitsbereiche gedacht, sondern als Ersatzdienst auf Zeit. Michaela Kirschner

In vielen Einrichtungen sind Zivis inzwischen nicht mehr zusätzliche Arbeitskräfte, sondern tragende Säulen