Die Top Ten der Verbrechensstädte in Italien

■ Bei Mordfällen ist Neapel Spitze, während das nicht weniger mafiöse Palermo in dieser „Rubrik“ erst an letzter Stelle liegt. Die größte Überraschung aber bietet die „ewige Stadt“

Rom (taz) – Gemeinhin drängeln sich Italiens Städte geradezu ungestüm nach oben, wenn irgendwo eine Liste der Top Ten aufgestellt wird: Mailand will sich auf keinen Fall den Nimbus der Geldmetropole und des landesweit größten Börsenplatzes nehmen lassen, Turin pflegt seinen Ruf als Industriezentrum Nummer eins, Neapel hält auf seinen „Belacanto“, das vibrierende Timbre der Tenöre, Florenz sieht sich als Kulturhauptstadt der Welt, Bologna als Weltmeister der Lebensqualität, und selbst das mafiageschüttelte Palermo besteht auf der „einmaligen Brückenfunktion zwischen Ost und West“. Nur für Rom, obwohl es sich „ewige Stadt“ nennt, bleibt meist nichts, weil alle anderen Städte sich mit den zu vergebenden Titel schmücken wollen; allenfalls der Papst ist hier noch einmalig.

Bei der neuesten Statistik geht es allerdings darum, sich nicht nach oben zu hangeln, sondern ganz unten zu verstecken: die jährliche Verbrechensstatistik, soeben vom Innenministerium bekanntgegeben, ist gegenüber dem Ausland auch ein Aushängeschild für die Attraktivität der einzelnen Metropolen. Und ausgerechnet da hat es die eitelsten der Städte besonders schlimm erwischt. Mailand: Championat der Diebstähle, über 8.000 auf je 100.000 Einwohner, vierter Platz bei den Morden – und dies in einer Stadt, die seit Jahren von ausgesprochenen Law-and-order-Schreiern regiert wird; zuerst von der chauvinistischen Liga Nord, seit 1997 von der rechten Forza Italia des Medienzaren Silvio Berlusconi.

Palermo: Rekordhalter in Raubüberfällen, 406 pro 100.000 Einwohner. Bologna: die meisten Sexualdelikte des Landes, mehr als 11 pro 100.000 Einwohner, gefolgt von Mailand, Turin und Florenz. Turin führt in der Zahl der schweren Körperverletzungen, Neapel hält die traurige Landesspitze an Mordfällen, fünf Personen auf 100.000 Einwohner starben durch Gewalttaten.

Die Statistik birgt allerdings auch Überraschungen: So liegt ausgerechnet das traditionell mit bösen Mafiadelikten identifizierte Palermo in Sachen Mord an der letzten Stelle der Großstädte. Polizeiexperten sind der Ansicht, dass die Bosse der organisierten Kriminalität seit gut zwei Jahren eine „Pax mafiosa“ ausgerufen haben, wohl um intern die Märkte auf Verhandlungswegen neu zu ordnen und um den massiven Repressionsdruck des Staates – der nach der Ermordung der Mafia-Jäger Falcone und Borsellino 1992 begonnen hatte – abzubauen. Weshalb die Mailänder Stadtregenten denn auch streuen, die Mafia schicke ihre Gangster nun in den Norden, um dort Remmidemmi zu machen und die Aufmerksamkeit von Sizilien abzulenken. Ersatzweise werden auch noch ausländische Zuwanderer, vor allem aus Albanien, für die Verbrechenszunahme in Oberitalien verantwortlich gemacht. Beides allerdings gibt die ministeriale Statistik durchaus nicht her. Danach sind die meisten Delikte in der Lombardei „hausgemacht“, d.h. sie werden meist von Bürgern verübt, die unzweideutig aus dieser Gegend stammen.

Und die Hauptstadt Rom? Sie kann sich diesmal freuen: Wo immer man auch hinguckt, sie rangiert ganz weit unten. Auch wenn es bei Köperverletzungen, Sexualdelikten und Diebstählen ansehnliche Zuwächse gibt, trägt die Stadt den Sieg davon: die am wenigstens verbrechensgefährdete Großstadt Italiens. Werner Raith