Kleiner Kulturkampf im sächsischen Dreiländereck

■ Die Kampagne „Kein Mensch ist illegal“ und die Grenzbewohner in Zittau-Löbau verstehen sich nicht. Eine Frage der politischen Differenz oder des Erfahrungshintergrunds

Berlin (taz) – Hat der Umweltschutz hinter einem hehren politischen Anliegen zurückzutreten? Um diese Frage ist in der Region des Dreiländerecks nahe der sächsischen Stadt Zittau ein kleiner Kulturkampf ausgebrochen. Auf der einen Seite stehen die Aktivisten der Kampagne „Kein Mensch ist illegal“. Sie wollen vom 7. bis 15. August inmitten eines Landschaftsschutzgebietes ein Grenzcamp abhalten und auf die schwierige Situation von Flüchtlingen an der deutsch-polnisch-tschechischen Grenze hinweisen. Auf der anderen Seite steht das Landratsamt Zittau-Löbau, das sich auf die Bestimmungen der Landschaftsschutzverordnung beruft und die Genehmigung verweigert.

In den Streit (taz vom 2. 8.) haben sich inzwischen auch Parteien eingeschaltet. Die sächsischen Grünen fordern wie der Anwalt der Kampagne, dass das Landratsamt einen Kompromiss mit den Veranstaltern sucht, über Umweltauflagen spricht oder ein Ersatzgrundstück anbietet. Die starke örtliche NPD warnt indessen per Postwurfsendung vor „Chaos, Lärm, Umsatzrückgang, Imageverlust und Gefährdung des persönlichen Eigentums“ durch die Camper. Sie spricht vielen Grenzbewohnern aus dem Herzen, die mit der Forderung der Kampagne nach offenen Grenzen wenig anfangen können. Folglich gibt es keine gemeinsame Sprache zwischen den anreisenden Flüchtlingsfreunden und den Ortsansässigen. Für die einen sind die Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) „Menschenjäger“. Die anderen hingegen fühlen sich vom BGS geschützt – zum Beispiel vor Überfremdung und Kriminalität.

Bei so viel Sprachlosigkeit bleiben dann nur noch Verdächtigungen. So ist sich Ulrich von Klinggräff, der die Kampagne vertritt, sicher, dass die Umweltschutzgründe nur vorgeschoben seien, um eine politisch unangenehme Veranstaltung zu verhindern. Und die PDS-Bundstagsabgeordnete Angela Marquardt hält ein Verbot des Camps gar für einen „Sieg der Hetzkampagne der militanten Nazis“, die aus dem Raum Zittau eine national befreite Zone machen wollten. Marina Mai