Geranien in Balance

Die asiatische Raumlehre Feng Shui soll Harmonie in jeden Winkel der Wohnung bringen – mittlerweile auch auf den Balkon. Wollen die Geranien nicht so recht blühen, dann sind vielleicht die pinkfarbenen Nelken schuld    ■ Von Heike Gläser

Ein Spaziergang durch Berliner Wohnbezirke zeigt das Ausmaß des Elends: Unzählige Balkone fristen ein trauriges Dasein, dienen allenfalls als Abstellplatz für leere Bierkästen oder alte Schrubber.

Das muss nicht sein, ist der Balkon doch gerade für Großstädter der geeignete Ort für etwas Grünes vor der eigenen Nase. Der Mensch im Einklang mit der Natur, ein Leben in Harmonie mit der eigenen Umgebung, dann stimmen die Vibrations, und alles wird gut ...

Das ruft geradezu nach Feng Shui, warum also nicht auch für den Balkon? Ganz so einfach geht das nicht, meint die Landschaftsplanerin und Feng-Shui-Expertin Adelheid Rosenkranz. Sie führt seit Jahren ein Landschaftsplanungsbüro für große Projekte aus öffentlicher Hand. Darüber hinaus berät sie Leute, die ihre Wohnungen, Geschäftsräume und Häuser in Balance bringen wollen.

Wer es immer noch nicht weiß: Hinter Feng Shui verbirgt sich weder ein asiatisches Reisgericht noch eine neue Kampfsportart, sondern die fernöstliche Lehre von der Raumgestaltung. Seit Jahrhunderten bauen die Chinesen auf Feng Shui, wenn es darum geht, Städte zu entwerfen, Häuser zu bauen oder ihre Toten zu bestatten. In der asiatischen Geschäftswelt werden Feng-Shui-Meister bei der Standortbestimmung von Büros konsultiert. Inzwischen boomt die jahrtausendealte Tradition auch in der abendländischen Kultur – in abgewandelter Form, auch als Geomantie bekannt.

„Was die Akupunktur für den Körper, ist Feng Shui für die Umgebung, in der wir leben“, erklärt Adelheid Rosenkranz, weiter und verweist auf die Wurzeln des alten Wissens, die im Taoismus liegen. Ursprünglich ging es um eine energieharmonische Landschaftsgestaltung: Feng bedeutet Wind, Shui Wasser, und man achtete in China darauf, beide Elemente im Gleichgewicht zu halten, damit die Energie „Qi“ fließen kann.

Das ganzheitliche Wohnen ist eng verbunden mit den Himmelsrichtungen. Zunächst sucht man das „Herz“ einer Wohnung, den Mittelpunkt. Von dort aus wird mittels eines speziellen Kompasses die Wohnung in verschiedene Felder eingeteilt. Diesen wiederum werden verschiedene „Elemente“ wie Holz, Feuer, Metall u. ä. zugeordnet, die auf die Harmonie des Menschen in seiner Umgebung Einfluss haben. Achtet man auf diese Kriterien bei der Einrichtung der eigenen vier Wände, erhöht sich laut Feng-Shui-Experten das Wohlbefinden. Beispielsweise lässt es sich in einer Westküche am besten kochen, ein Kinderzimmer sollte niemals im Nordwesten liegen, und im Südosten kommen einem die besten Ideen. Davon sind zumindest Feng-Shui-Anhänger überzeugt.

Feng-Shui-Beratung für die Begrünung von Terrassen und Balkonen macht die diplomierte Landschaftsarchitektin bisher nur privat für Freunde. Und dabei spielen nicht nur die Kriterien der Harmonie eine Rolle, sondern auch der gärtnerische Aspekt. Was nach Feng Shui sinnvoll wäre, lässt sich aber gärtnerisch nicht immer umsetzen: Da die Ausrichtung des Balkons nach den Himmelsrichtungen eine wichtige Rolle spielt, sind die Möglichkeiten begrenzt. Schließlich lässt sich ein Balkon nicht so einfach vom Norden in den Westen verlegen. So bleibt nur die Möglichkeit, den Balkon farblich harmonisch zu gestalten. Zwar können bestimmte Pflanzen das Wohnen positiv beeinflussen, aber dennoch nicht verwendet werden, da sie beispielsweise auf einem Nordbalkon in kürzester Zeit eingehen würden. Rosenkranz versucht dann, einen Mittelweg zu gehen, und trifft die Wahl der Bepflanzung meist intuitiv.

„Ich habe von ihr eine Liste mit komischen Pflanzen bekommen“, bericht Dorothee S., die sich von Adelheid Rosenkranz beraten ließ. In den letzten Jahren ist ihre Balkonbepflanzung regelrecht eingegangen. Nun blüht alles, weil sie auf pinkfarbene Blüten verzichtet hat. Außerdem ist die neue Bepflanzung auf die unterschiedlichen Jahreszeiten abgestimmt.

Nun darf der Balkon nicht isoliert betrachtet werden, meint Rosenkranz, sondern kann nur im Kontext der gesamten Wohnung gesehen werden. Je nachdem, in welche Himmelsrichtung der Balkon zeigt, können Energiestörungen in der Wohnung durch die Wahl der richtigen Farben auf dem Balkon behoben oder ausgeglichen werden, so Rosenkranz. Feng Shui habe einen ganzheitlichen Ansatz und könne nicht auf einen Teil der Wohnung reduziert werden.

Dennoch ist sich Adelheid Rosenkranz ganz sicher: Würden sich mehr Berliner zu einer ausgewogenen Grünbepflanzung durchringen, würden die Balkone das Stadtbild positiv beeinflussen und verändern.„Viele Balkone müssten wachgeküsst werden“, so Rosenkranzs Fazit. Also doch ein bisschen mehr Feng Shui für den Balkon?

Sollte Ihr Balkongrün doch noch an der einen oder anderen Ecke vor sich hin dämmern, hat der Markt asiatischer Weisheiten noch anderes in petto: Der letzte Schrei in Sachen Vibration-Optimierung heißt inzwischen „Vastu“, die indische Lehre vom gesunden Bauen und Wohnen. Vastu ist angeblich eine Lehre, auf der alle anderen – auch Feng Shui – basieren. Trendsetter wissen, dass nicht nur die „terrestrischen Energiearten“ eine Rolle spielen, sondern auch die „kosmischen“. Nicht nur die Farbgebung der Blumenkästen kann für das Wohlbefinden der Pflänzchen von Belang sein, auch die Position des Mobiliars. Unser Tipp: Kaufen Sie sich eine komfortable Sonnenliege, und tauschen sie den leeren Bierkasten gegen einen vollen.