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■ Ethnisch motivierter Hass existiert nicht nur auf dem BalkanAllzu bequeme Abgrenzungen

Ethnisch motivierter Hass gehört zu den ekligsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts. Das war schon zu Beginn des Jahrhunderts so, ist es jetzt aber umso mehr, als ein Teil der Gesellschaften der Welt im Zuge der Globalisierung dabei ist, nationale Schranken zu überwinden. Die moderne Welt kann gut und gerne auf politische Bewegungen verzichten, die den Kampf gegen andere Menschen aufnehmen, nur weil sie eine andere Religion, Hautfarbe, Sprache oder Kultur besitzen.

Das, was sich im ehemaligen Jugoslawien abspielt und als „ethnische Säuberungen“ bezeichnet wird, entspricht einer Gedankenwelt, die dennoch auch in unserer Gesellschaft existent ist und immer wieder an die Oberfläche kommt. Die Anschläge gegen Asylbewerber, die tägliche Diskriminierung von Nichtdeutschen, die selbst in gebildeten Kreisen schlummernden Vorurteile sind nicht nur Überbleibsel des Nazismus, sondern stellen sich als sich immer wieder erneuernde Abwehrmechanismen stationärer Teile der Gesellschaft gegen einschneidende Veränderungen dar. Weil sie in den Prozess der europäischen Integration eingebunden ist, wird unsere Gesellschaft nicht wirklich auf die Probe gestellt, wie sie in Krisen reagieren würde, wer weiß aber, ob sie in einer anderen Konstellation nicht ebenfalls wieder in einen Zustand der Barbarei verfallen könnte.

Es ist also keineswegs angebracht, die Entwicklung auf dem Balkan als isolierte zu betrachten und die Menschen, die „dort unten“ leben, als „unzivilisiert“ herabzustufen. Die Abgrenzung zeigt sich bis in die kleinsten Details. In Zeitungen dominieren Fotos von alten Frauen in traditioneller Tracht, die sich in den Schutz der modernen Hilfsorganisationen begeben. Dass junge Frauen, die aussehen, als seien sie Modejournalen entsprungen, ebenfalls fliehen mussten und müssen, dass normale Leute wie du und ich den Hauptteil der Flüchtlinge ausmachen, wird mit solchen Fotos kaschiert. Die Flucht dort hat mit uns nichts zu tun, ist die Botschaft.

Die emotionale Abgrenzung von dem Kriegsgeschehen auf dem Balkan hat noch einen anderen Vorteil: Sie lenkt ab von den politischen Kategorien, die diese Katastrophen hervorbringen. Die Politik eines Miloševic ist eben nicht allein eine „serbische“ Politik, sondern eine, die auf Totalitarismus beruht, die rechtsradikale, nationalistische Kategorien mit den überkommenen stalinistischen Herrschaftsstrukturen des Einparteienstaates verbindet. Die Politik von Figuren wie Franjo Tudjman in Kroatien fußt ebenfalls in etwas anderer Konstellation auf dieser Grundlage. Wer das Geschehen auf dem Balkan lediglich als Kampf der Völker der Nationen interpretiert, wird nicht begreifen können, dass es sich bei den Auseinandersetzungen dort durchaus um Kämpfe handelt, die auch in unserer eigenen Gesellschaft existieren. Die Scheu bei uns, die Politik der rot-braunen Koalition in Belgrad als „faschistisch“ zu bezeichnen, ist ein Beleg dafür.

Gerade die letzten Monate haben gezeigt, wie unsicher unsere Gesellschaft gegenüber der offenen Wiederkehr des nationalistischen Extremismus und der totalitären Politikformen geblieben ist. Die unpolitische Antikriegshaltung, die ablehnende Haltung gegenüber der Nato-Aktion, passen in dieses Bild. Wer auf PDS-Demonstrationen Miloševic-Bilder hochhält, demonstriert, dass für manche Teile unserer Gesellschaft Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte immer noch nicht Ausgangspunkt des politischen Denkens geworden sind.

Wenn jetzt Albaner Serben vertreiben, dann ist dies genauso zu verurteilen wie die Vertreibungen, die vorher geschehen sind. Der „Sieg“ im Kosovo sollte die kosovo-albanischen Nationalisten nicht dazu verleiten, die Kategorien der ehemaligen Unterdrücker nun selbst zu übernehmen. Die Befreiung der Kosovaren von der Herrschaft Miloševic' wurde nur über eine Aktion der Nato möglich, die sich nach Jahren des Druckes von Seiten der menschenrechtsorientierten Öffentlichkeit zu der „Intervention für die Menschenrechte“ entschlossen hat. Und von den Politikern des Westens muss erwartet werden, dass sie beim Friedensprozess und beim wirtschaftlichen Wiederaufbau nationalistische Extremisten und Anhänger totalitärer Regime außen vor lassen.

Erich Rathfelder

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