Der Quotient des Teufels

■ Ein El Dorado langhaariger Lederstatisten: das 10. Metal-Open-Air in Wacken

Zehn Jahre Wacken Open-Air-Festival, 10- bis 15.000 Besucher, da lässt man schon mal 666 ungerade sein und das Böse mit dem Taxi vorfahren. So geschehen beim größten Metal-Open-Air, als ein Teil der über 1.000 geladenen Schreiber für ihre Backstage- Bändsel anstanden. Ganz unauffällig hielt hinter ihnen eine dieser weißen Mietkarossen, und hinaus stiegen zwei der finstersten Musiker überhaupt: Abbath, die dämonische Stimme Norwegens, und mit ihm sein Schlagzeuger, der mächtige Horgh. Dass nur wenige die beiden Malocher von Immortal erkannt haben, liegt daran, dass sich die Black Metaller sonst nur schwarz-weiß geschminkt in die Öffentlichkeit wagen.

Fünf Bühnen hatten die Veranstalter ins Gras gebaut, auf denen an die 90 Bands das Wochenende wegpusten sollten. Die größte hieß „True Metal Stage“ und glich mit ihren 50 Metern Höhe und abertausend Scheinwerfern einer Star-Wars-artigen Achterbahn mit stündlich wechselnden Lederstatisten. Da sahen selbst diese riesigen Angeber Drumkits wie von Playmobil aus. Die bittere Pille gleich vorweg: Die farbigst angekündigten Twisted Sister spielten nicht. Als schlechter Ersatz mussten die dänischen D.A.D. herhalten. Vorerst schockten Größen wie die US-Power-Rocker von Dokken: Vier bebauchte Herren um die 40 mit unglaublichen Frisuren und waffenscheinpflichtigen Cowboy-Boots.

Der erste richtige Höhepunkt aber war die Rückkehr der Drescher von Destruction – wenn auch mit einer Prise zu viel Polka im Beat. Direkt im Anschluss der erste Auftritt von Mayhem in „Western Germany“: Vor dem Gig noch heftigst zerstritten, sind die vier legendären Norweger on stage das dereit progressivste, das Black Metal derzeit zu bieten hat – brennende Rinderschädel und ein sich wund schreiender Sänger Maniac inklusive. Tadelnd müssen an dieser Stelle Rage als Singsang-verliebte Märchen-Metaller sowie die vier Damen vom Gitarren-Grill Girlschool erwähnt werden. Nur soviel: Suzie Quatro ist Grindcore dagegen. Am Sonnabend gingen neben einiger Absagen, zuviel Nieselregen vor allem Metal-Blondine Axel Rudi Pell und der groovende Todes-TruckSix Feet Under unter die Haut. Ersterer, weil ein solches Posing nicht von dieser Welt sein kann, letztere, weil Sanges-Grizzly Chris Barnes der einzige richtige Crooner im Lager ist. So klingt Dance on the Deathfloor.

Oliver Rohlf