Der Vulkan Cerro Negro sorgt für ein großes Feuerspektakel in Nicaragua

■ Wie andere Schaulustige zeigte sich Präsident Aleman kurz im Katastrophengebiet, um dann zur Hochzeit nach Miami zu fliegen

San Salvador (taz) – Die ganz große Katastrophe scheint an den Bewohnern der Dörfer rund um den Vulkan Cerro Negro im Nordwesten Nicaraguas noch einmal vorbeigegangen zu sein. In der Nacht zum Samstag teilte das Vulkanologische Institut in Managua mit, der seit Donnerstag Feuer spuckende Berg habe sich beruhigt. Zwei der drei neu entstandenen Krater hätten sich inzwischen vereinigt und würden nur noch gelegentlich Asche und Gase speien. Der dritte spuckt noch immer Lava, aber „in moderaten Mengen“.

Der Ausbruch des Vulkans war von über 300 Erdstößen begleitet, von denen manche auch in der 120 Kilometer südöstlich gelegenen Hauptstadt Managua zu spüren waren. Diese Beben sorgten für die einzigen bislang bekannt gewordenen Opfer. Nach einer Meldung des staatlichen „Radio Nicaragua“ sind bei einem Erdstoß am frühen Samstagmorgen in den Dörfern Miralagos und Momotombo mehrere Häuser eingestürzt. Dabei seien 15 Menschen erheblich verletzt worden.

Die durch den Ausbruch direkt gefährdeten Dörfer waren vom Zivilschutz evakuiert worden. Der Abtransport der rund 1.500 Bewohner wurde von Schaulustigen behindert, die mit ihren Autos die schmalen Zugangswege zu dieser Gegend blockierten. Warnungen des Vulkanologischen Instituts, dass sich rund um den Vulkan jederzeit die Erde auftun könne, wurden ignoriert. Das Feuerspektakel zog die Massen an. „Die Leute glauben, das hier ist ein Picknick“, beschwerte sich eine Helferin des Zivilschutzes. Auch Präsident Arnoldo Aleman zeigte sich kurz im Katastrophengebiet, flog dann aber nach Miami, um sich zu verheiraten.

Der gut 600 Meter hohe Cerro Negro ist der aktivste Vulkan Nicaraguas. Er ist erst 1850 entstanden und seither fünfzehn Mal ausgebrochen. Bei einer Explosion 1992 wurde die Spitze des Berges abgesprengt. Mehrere Millionen Tonnen vulkanisches Material wurden in die Atmosphäre geschleudert. 240 Quadratkilometer Land lagen danach unter einer dicken Asche-Schicht, die Ernte war vernichtet. Auch bei einem Ausbruch 1995 verloren die Bewohner der Dörfer rund um den Vulkan ihre Ernte. Zuletzt brachen im Oktober 98 zerstörerische Naturgewalten über sie herein, als der Wirbelsturm „Mitch“ die Küstenebene bei Leon überschwemmte und am Vulkan Casitas eine Schlamm- und Gerölllawine rund 2.000 Menschen und vier Dörfer begrub. In den Notlagern rund um den Casitas brach bei den Erdstößen der vergangenen Tage Panik aus.

Diejenigen, die im vergangenen Oktober mit dem Leben davon gekommen waren, fürchteten nach den Regenfällen der vergangenen Tage neue Schlammlawinen. Viel mehr als ihr Leben haben die Bewohner der Dörfer der Küstenebene im Nordwesten nicht mehr zu verlieren. In der Region standen vor der sandinistischen Revolution von 1979 Bananen-Plantagen der US-Konzerne. Danach wurde von sandinistischen Kooperativen Baumwolle in Monokultur angebaut. Heute liegt der Boden brach oder wird von Großgrundbesitzern zur Viehzucht genutzt. Anbauflächen der Kleinbauern befinden sich fast ausschließlich in von Erdrutschen gefährdeten und wirtschaftlich unrentablen Hanglagen. Toni Keppeler