„Operation Besen“ gegen Albaner

■ Die griechische Regierung will die Opposition rechts überholen und lanciert eine hysterische Kampagne gegen illegale Wanderarbeiter

„Prota i Ellada“ – Vorrang für Griechenland – lautete die Parole der Pasok bei den Europawahlen. Das klang im Juni noch patriotisch, brachte der Regierung Simitis aber nichts. Die konservative Opposition der Nea Dimokratia (ND) hängte die Regierungspartei um fast drei Prozent ab. Das brachte Simitis auf die Idee, den innenpolitischen Kurs nach rechts zu radikalisieren. Heute wäre der Pasok-Slogan angemessener mit „Griechenland den Griechen“ zu übersetzen.

Kostas Simitis scheint fest entschlossen, der politischen Rechten in puncto Xenophobie den Rang abzulaufen. Den entscheidenden Sündenfall hat er begangen, indem er das Problem steigender Kriminalität mit dem Thema der illegalen Immigration verknüpfte. Die Regierung hat sich damit auf ein Feindbild eingeschossen, das bislang die ND kultivierte. Für die Opposition waren illegale Einwanderer und kriminelle Elemente schon immer identisch. Und beide Problemgruppen waren ethnisch definiert – als Albaner.

Seit Wochen bekommen die albanischen Wanderarbeiter zu spüren, dass die Parteienkonkurrenz auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Zwar ist mit nationalen Wahlen nicht vor Sommer 2000 zu rechnen, aber der Wettbewerb um die Ausbeutung der Albaner-feindlichen Stimmung im Lande hat begonnen. Simitis reagiert mit seinen populistischen Parolen allerdings auf ein Problem, dessen Schärfe nicht zu leugnen ist.

Seit zehn Jahren kommen Albaner schwarz über die griechische Nordgrenze. Die „Schmuggelwanderer“ (wie die Griechen sie nennen) suchen saisonal oder dauerhaft Beschäftigung als Handlanger oder Feldarbeiter, für durchschnittlich 25 Mark Tageslohn. Ihre Zahl dürfte derzeit bei 400.000 liegen. Auf Deutschland umgerechnet, entspricht das etwa 3,2 Millionen illegaler Armutsflüchtlinge. Die Regierung Simitis hat 1997 ein Verfahren zur Legalisierung dieser Schwarzarbeiter eingeführt. Aber bis heute sind höchstens 40.000 Albaner im Besitz der begehrten „grünen Karte“. Das liegt zum Teil an der Desorganisation und Inkompetenz der Bürokratie. Es liegt aber vor allem daran, dass die meisten Arbeitgeber nicht bereit sind, ihre billigen Hilfskräfte zu verteuern, denn Legalisierung bedeutet, Sozialabgaben abzuführen. Deshalb bewirkt das Gesetz vor allem, dass es neben dem Schwarzarbeitermarkt einen Schwarzmarkt für gezinkte grüne Karten gibt.

Wo arme Einwanderer unter legalitätsfeindlichen Bedingungen zu überleben versuchen, wächst die Kriminalität. Die Subkultur der in Griechenland lebenden Albaner ist von mafiosen Strukturen durchsetzt, unter denen die albanischen Kleinverdiener am meisten leiden. Das nimmt die griechische Öffentlichkeit ebenso ungern zur Kenntnis wie die Tatsache, dass die albanische Mafia, die sich auf Drogenhandel und organisierte Prostitution konzentriert, auf griechische Partner angewiesen ist. Die Hysterie hat reale Ursachen, aber die Regierung hätte ihr dennoch mit seriösen Informationen entgegenzutreten. Und die Experten wissen, dass der Großteil der Kriminalität nicht den albanischen Wanderarbeitern anzulasten ist. Sie weisen vielmehr darauf, dass die organisierten Banden vorzügliche Beziehungen zur griechischen Grenzpolizei unterhalten. Das lässt sich an den Übergängen beobachten, wo die Mercedes-Limousinen mit Kennzeichen aus Tirana oder Vlora durchgewinkt werden.

Albanern ohne grüne Karte droht die Abschiebung

Die Stimmung gegen „die Albaner“ wurde in den letzten Monaten durch zwei dramatische Vorfälle verschärft. Im Mai kidnappte ein Albaner einen Bus in der Nähe von Thessaloniki. Dank der Unfähigkeit der griechischen Polizei konnte er mit seinen Geiseln über die Grenze nach Albanien entkommen. Bei seiner Festnahme durch die albanische Polizei wurde der griechische Busfahrer erschossen, was eine kleine Krise zwischen Athen und Tirana auslöste. Der Volkszorn war erst wieder besänftigt, als vor drei Wochen eine zweite Busentführung mit einem griechischen Sieg endete: Alle Geiseln wurden unverletzt befreit, der Entführer vom Scharfschützen einer Spezialeinheit erschossen. Schon nach der ersten Entführung hatte die Regierung Simitis eine Operation „skoupa“ (Besen) angeordnet: eine landesweite Razzia, bei der tausende von illegalen Albanern aufgegriffen und über die Grenze geschafft wurden. Aber erst nach der zweiten Busentführung ging Regierungschef Simitis so weit, den Kriminalfall direkt mit der Anwesenheit illegaler albanischer Arbeiter zu erklären. Und er kündigte an, alle Albaner, die sich keine „grüne Karte“ verschaffen können, werde man abschieben. Zusätzlich stellte er eine verschärfte Strafandrohung für Griechen in Aussicht, die illegale Albaner nicht der Polizei melden, wenn sie solche beschäftigen oder von einer solchen Beschäftigung Kenntnis haben.

Von einem solchen Gesetz könnten Kleinunternehmer, die Albaner illegal beschäftigen, durchaus profitieren. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass ein Arbeitgeber seine eigenen Leute bei der Polizei denunzierte und abschieben ließ, bevor eine Lohnzahlung fällig wurde. Aber die meisten Bauern und Kleinunternehmer sehen die Pläne der Regierung mit gemischten Gefühlen. In Nordgriechenland gab es bereits Proteste von Bauern, die ihre Tabak- und Pfirsichernte gefährdet sehen, weil einheimische Arbeitskräfte drei mal mehr kosten als billige Albaner-Hände. Eine Umfrage in derselben Region ergab, dass 72 Prozent die Wanderarbeiter als „gesellschaftlich abträgliche“ Erscheinung ansehen. Doch von denselben Befragten räumen 94 Prozent ein, dass sie albanische Hilfskräfte in Anspruch nehmen. Dieser schizophrene Befund reflektiert einen Widerspruch, den auch eine demagogische Kampagne gegen „die Albaner“ nicht verkleistern kann. Kritik an der neuen Linie üben nicht nur die kleinen Linksparteien, sondern auch kritische Geister in der Pasok. Theodoros Pangalos, der im Gefolge der Öcalan-Affäre als Außenminister zurücktreten musste, warnte davor, „die Kriminalität mit der Einwanderung zu verknüpfen“. Wer das tue, werde eine Le-Pen-Stimmung produzieren und den latenten Rassismus der griechischen Gesellschaft hoffähig machen.

Auch eine andere Überlegung könnte die Regierung Simitis noch zum Nachdenken bringen. Analytiker aus Athener Börsenkreisen weisen darauf hin, dass der Boom am griechischen Aktienmarkt nicht zuletzt darauf beruht, dass der „albanische Faktor“ das Preisniveau auf dem griechischen Arbeitsmarkt dämpft. Das kleine Athener „Wirtschaftswunder“, das vom Zufluss ausländischer Gelder in die griechische Wirtschaft lebt, ist aber die grundlegende Voraussetzung für die langfristige Wirtschaftspolitik der Regierung Simitis. Und die begründet ihr oberstes Ziel, den Beitritt zum Euro, noch immer mit dem Slogan: „Prota i Ellada“. Niels Kadritzke, Athen