Unterm Strich

Allmählich kündigt sich auch in der Kulturredaktion die Sonnenfinsternis an. Die KollegInnen atmen schwer, manche summen balinesische Melodien und streicheln ihren Bildschirm dämonisch mit den Händen. Immer wieder kommt es zu spontanen Tanzausbrüchen, bei denen Knie und Hüften in eine Schwebeposition neben der Schreibtischplatte gebracht werden, was allerdings zu ungeheurem Verlust an Körperflüssigkeit führt. Zum Glück können die schubweisen Ekstasen mit Kräutertee beruhigt werden oder mit den Zeremonien einer sehr lieben Schamanin, die sich vor zwei Tagen hier im vierten Stock eingenistet hat und seither unentwegt in einer Sprache betet, die wie eine Mischung aus Finnisch und Latein klingt. In dieser extrem angespannten und doch feierlichen Stimmung erreicht uns plötzlich die Nachricht, dass William Miller ein „Solipse-Festival“ im ungarischen Dorf Ozora organisiert hat, eineinhalb Autostunden von Budapest entfernt. Bis zum 15. August treffen sich dort spirituell aufgeweckte RaverInnen, um partymäßig mit Trance-DJs wie Mixmaster Morris, Mike Dog oder Scotty die über 2 Minuten währende Sonnenfinsternis am Mittwochmittag gegen 12 Uhr Ortszeit vorzubereiten. Danach kann man den Rest der Zeit bis Sonntag mit Feuerschlucken auf einem Chill-out-Areal verbringen. Der Spaß kostet 195 Mark für die Woche, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Noch mehr Kartons: Die im Frankfurter S. Fischer Verlag erscheinende Neue Rundschau verlegt ihren Redaktionssitz von Frankfurt am Main nach Berlin. Dort war die älteste Kulturzeitschrift Deutschlands 1890 von Samuel Fischer gegründet worden. Der Verlag will mit diesem Schritt seine, wie es bei dpa so schön heißt, „Präsenz in der Hauptstadt verstärken“. Neuer alleiniger Herausgeber der Neuen Rundschau wird Martin Bauer, bisher Cheflektor des Fischer Taschenbuch Verlags, während Helmut Mayer und Dr. Uwe Wittstock von Frankfurt aus die Zeitschrift weiter redaktionell mit gestalten werden.

Zur Förderung des dichterischen Nachwuchses wird am 3. September in Berlin erstmals ein Lyrikdebütpreis vergeben. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Mark dotiert und wird im Turnus von zwei Jahren für ein in diesem Zeitraum erschienenes Erstlingswerk zuerkannt. In einer Zeit, in der immer weniger Verlage auf Dichtung setzen, solle der Lyrik-Debüt-Preis junge deutschsprachige Autoren ermutigen und unterstützen, Gedichte zu schreiben und damit an die Öffentlichkeit zu treten, teilte das Literarische Colloqium Berlin mit. Die Literatur-Einrichtung sowie die Kulturstiftung der Deutschen Bank und die Kester-Haeusler-Stiftung sind Träger der neuen Auszeichnung. Als Juror fungiert dieses Jahr der Kölner Dichter Jürgen Becker. Der Erste-Preis-Träger soll Ende August bekannt gegeben werden.