: Heut ist gut munkeln
Die Sonnenfinsternis birgt produktives Potential. Nur Langeweiler blicken gen Himmel ■ Von Heike Dierbach
112 Jahre haben wir gewartet, nun ist es soweit: Heute ist Sofi (Sonnenfinsternis)-Tag! Selbstredend verschwenden nur Langeweiler die 160 Minuten, die das Spektakel in Hamburg dauert, damit, ihren Nervus Opticus gen Himmel zu richten. Kluge Strategen nutzen Sofi produktiv:
Alle passionierten SchwarzfahrerInnen horchten etwa auf, als der SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck vorschlug, die Arbeitgeber sollten ihren Angestellten großzügig frei geben, wenn Sofi in der Mittagszeit erscheint. Denn der Inbegriff der Großzügigkeit in Hamburg ist ja der HVV. Der gönnt sicher allen seinen KontrolleurInnen das Erlebnis. Vor allem auf Tunnelstrecken dürfte die Luft heute 160 Minuten rein sein. Gut zu wissen: Auch KaufhausdetektivInnen werden ihr Interesse wohl weniger auf die Regale als gen Himmel richten. Hier besteht allerdings ein minimales Restrisiko, die Zeit der Sofi in einer fensterlosen Polizeizelle zu verbringen.
Gezielt einsetzen lässt sich der Umstand spontaner Verbrüderung: Wissenschaftler behaupten, dass viele Menschen von dem Spektakel fürchterlich ergriffen sein werden. Schuldner sollten angesichts dieser Tatsache heute jenem entfernten Bekannten einen Besuch abstatten, von dem sie sich vor Jahren ein paar Hunderter geliehen haben, um sich sodann nie wieder zu melden.
Dringend abgeraten werden muss hingegen vom Betreten des Sternschanzenparks gegen Mittag. Wegen der plötzlichen Dunkelheit beginnen Hunde möglicherweise zuheulen – ohne Spezial-Ohrenstöpsel riskiert man bleibende Schädigungen des Trommelfells.
Wer heute etwas Außergewöhnliches erleben möchte, der sollte die Minuten der 86-prozentigen Finsternis dazu nutzen, sich am Hauptbahnhof eine Fahrkarte bei der Deutschen Bahn zu kaufen – ganz ohne Warteschlange! Die Gelegenheit kommt wohl nicht vor der nächsten Sonnenfinsternis im Jahre 2081 wieder. Gleiches gilt für den Einkauf im Postamt oder Angelegenheiten auf dem Einwohnermeldeamt.
Wem das alles zu berechnend ist, der kann natürlich auch das New Yorker Modell wählen: Dort steigt angeblich neun Monate nach jeder völligen nächtlichen Dunkelheit infolge eines Stromausfalls die Geburtenrate sprunghaft an. Doch dazu brauchts eigentlich keine Finsternis.
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