Galgenfrist für Belgiens Schlachtvieh

■ Dioxinskandal und EU-Exportauflagen lassen den Fleischmarkt zusammenbrechen. Labors sind mit Untersuchungen überfordert

Brüssel (taz) – Wütende Prosteste gegen die belgische Regierung: Sie hat beschlossen, alle Exportgüter mit mehr als zwei Prozent Tierfett-Anteil auf krebsverdächtiges PCB untersuchen zu lassen. Damit respektiert die Regierung eine Auflage des ständigen EU-Veterinärausschusses. Am Montag gingen daraufhin in Brüssel Bauern, Viehhändler und Fleischexporteure auf die Straße. Nach einem Gespräch mit Regierungsvertretern packten sie ihre Spruchbänder und Heugabeln aber wieder ein.

„Die Politiker haben uns erklärt, dass wir die Entscheidung des EU-Veterinärausschusses zunächst hinnehmen müssen. Sonst können wir gar nicht mehr exportieren“, resigniert Benoit Cassart vom belgischen Vieh- und Schlachtereiverband. Ursprünglich hatten die Landwirte und Viehhändler von Dienstag an Grenzblockaden gegen Lebensmitteleinfuhren aus anderen EU-Staaten errichten wollen. Jetzt hoffen sie, dass der Veterinärausschuss bei seiner nächsten Sitzung Ende August die Entscheidung revidieren wird.

Die Auflage kommt einem Exportverbot sehr nahe. „Über unser Land wird praktisch ein Embargo verhängt“, erklärt Jean-Pierre Thomé vom Lebensmittelinstitut der Universität Lüttich. Selbst wenn die Tests teilweise von Labors außerhalb Belgiens übernommen würden, sei die Arbeit nicht zu bewältigen. Allein für Schweinefleisch müssten noch in diesem Monat 7.000 Analysen durchgeführt werden. Die Labors könnten aber höchstens 1.500 bis Ende des Monats schaffen. Vor allem die belgischen Rinderzüchter und Rindfleischexporteure sehen sich als Opfer einer überzogenen Verbraucherschutzpolitik. „Andere Länder haben die gleichen Probleme. Von der Dioxinbelastung in französischem Fleisch nimmt niemand Notiz“, behauptet Benoit Cassart. In Belgien seien von 409 Rinderzuchtbetrieben, die möglicherweise verseuchtes Futter bezogen haben, 338 untersucht worden. Nur in einem Fall sei der EU-Grenzwert für Dioxin überschritten worden.

Der Fleischmarkt in Belgien ist inzwischen zusammengebrochen. Die Schlachtereien verarbeiten 50 Prozent ihrer normalen Kapazität. In Asien und im Nahen Osten liegen belgische Fleischexporte auf Eis. 60 Tonnen Geflügel vergammeln nach Angaben des Außenhandelsministeriums in der Ukraine, 20 Tonnen in Usbekistan. Genaue Zahlen über die Verluste können erst in den nächsten Wochen ermittelt werden. Über zwei Prozent des belgischen Außenhandels sind von der EU-Entscheidung betroffen – das entspricht einem Jahresumsatz von sechs Milliarden Mark. Daniela Weingärtner