Rot-Grün will blind durch die Staudammwand

■ Während die britische Regierung neuerdings die Exportförderung an ökologischen und sozialen Kriterien messen will, stellt sich Rot-Grün stur. Die geplante Reform liegt auf Eis

Berlin (taz) – Eine heiße Debatte haben Absichten des britischen Ministers für Handel und Industrie, Stephen Byers, ausgelöst. Byers will, wie britische Zeitungen am Wochenende meldeten, die Kriterien zur Bewilligung von Exportkreditgarantien (ECGD) überarbeiten und zukünftig Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards zugrunde legen. Unter anderem im Falle des geplanten Ilisu-Staudamms in der Türkei befürchten britische Firmen nun Wettbewerbsnachteile, sollten tatsächlich solche Kriterien bei der Vergabe eine Rolle spielen.

Auch in Deutschland hat die Industrie Bürgschaften beantragt. Im Gegensatz zu Großbritannien traut sich die rot-grüne Bundesregierung aber bislang nicht an die in der Koalitionsvereinbarung angepeilte Reform der Vergabekriterien heran.

Die Bewilligung der Bürgschaften für den Ilisu-Staudamm stehe „in nächster Zeit an“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Für den Damm haben weltweit Firmen bei neun Regierungen Sicherheiten für Lieferungen und Leistungen beantragt.

Das 1.200-Megawatt-Staudamm-Projekt Ilisu liegt mitten in kurdischem Gebiet nahe der irakischen und syrischen Grenze und ist Teil eines riesigen Wasserkraft- und Bewässerungsprogramms in der Region. Für den Stausee müssen 16.000 Kurden umgesiedelt werden.

Den Bau, der im nächsten Jahr beginnen soll, kritisieren regierungsunabhängige Organisationen nicht nur wegen seiner sozialen und ökologischen Konsequenzen, sondern besonders wegen seiner geostrategischen Auswirkungen. See und Damm würden PKK-Kämpfern den Rückzug ins Gebirge abschneiden. Die Türkei könnte darüber hinaus Syrien und den Irak für Monate von der Wasserversorgung durch den Tigris absperren. Beide Staaten haben deswegen schon mehrfach gegen den Bau protestiert. Der britische Staatssekretär Brian Wilson wird diese Woche vor Gericht verklagt, weil er wichtige Informationen über diese Auswirkungen des Staudammes zurückgehalten haben soll. Um Firmen auch zu Investitionen und Exporten in politisch und wirtschaftliche Risikoländer zu animieren, sichern weltweit Regierungen solche Geschäfte ab. Fällt die Bezahlung tatsächlich aus, weil zum Beispiel Krieg ausbricht, bezahlt die Geberregierung die Firmen und brummt dem Risikoland die Summe als Schulden auf.

In Deutschland liegen zur Zeit dem zuständigen Interministeriellen Ausschuss (IMA) außer Ilisu noch zwei weitere Anträge auf Bürgschaften für umstrittene Projekte vor. Bei dem einen Antrag geht es um den Maheshwar-Staudamm in Indien, gegen dessen Fertigstellung tausende Bauern protestieren, im zweiten Fall um die ukrainischen Ersatzreaktoren für Tschernobyl. In beiden Fälle ist ebenfalls noch in den nächsten Wochen mit einer Entscheidung des IMA zu rechnen.

Regierungsunabhängige Organisationen fordern mit Blick auf die sozialen und ökologischen Auswirkungen derartiger Projekte in Entwicklungsländern seit über zwei Jahren eine Reform der Hermes-Bürgschaften, wie dieses deutsche Pendant zu den ECGD genannt wird. Im rot-grünen Koalitionsvertrag wurden daraufhin ökologische Reformen der Bürgschaften festgehalten. Bislang gibt es allerdings höchstens Diskussionen zwischen Organisationen und Ministerien über einzelne Anträge. Reformen seien, wie das Bundeswirtschaftsministerium sagte, nicht beabsichtigt. Man wolle aber noch dieses Jahr die Organisationen zu einem Gespräch einladen.

Die deutschen Organisationen fordern vor allem mehr Transparenz über die Vergabe und Kriterien der Hermes-Bürgschaften. Bislang gibt der IMA weder Informationen über die Höhe der beantragten Summen noch die Namen der Antrag stellenden Firmen – ganz im Gegensatz zur US-amerikanischen Export-Import-Bank, die diese Basisinformationen problemlos ins Internet stellt.

Weiterhin fordern die Organisationen, dass keine Bürgschaften für Projekte mit großen ökologischen und sozialen Auswirkungen bewilligt werden. „Wir hoffen, dass die deutsche Regierung vor allem aus den Erfahrungen mit dem Maheshwar-Staudamm lernt“, sagt Heffa Schücking von der deutschen Umweltschutzorganisation Urgewald, die die Reformkampagne mit initiiert hat. „Die Aussagen der Exporteure über Auswirkungen dürfen nicht allein ausschlaggebend sein.“ Informationen von Urgewald über die Auswirkungen des Dammes in Indien hatten dazu geführt, dass Bürgschaftsanträge deutscher Firmen gestoppt wurden. Die Bürgschaften stehen allerdings zur Zeit erneut zur Debatte im IMA. Maike Rademaker