Die Zähmung des großen Bruders

■ Datenerhebung, -weitergabe, -und sicherheit haben bei den Vorbereitungen für die versuchsweise Einführung der Smart-Card eine zentrale Rolle gespielt

Im Prinzip ist der elektronische Fahrschein, den die BVG in ihrem Großversuch testen will, eine Chipkarte. Dass sie im Gegensatz zu den üblichen Telefonkarten etwa ohne Berührung mit einem Lesegerät gelesen werden kann, macht zwar die Handhabung leichter, ruft aber auch die Datenschützer auf den Plan. Sie fürchten, dass durch einen solchen Fahrschein persönliche Daten weitergegeben oder Bewegungsprofile erstellt werden könnten.

Die Zweifel sind nicht unberechtigt, denn während bei einer Telefonkarte einfach eine Einheit nach der anderen abgebucht wird, müssen kontaktlose Karten außerdem identifizierbar sein. Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem randvollen Bus, tragen die elektronische Karte in der Jackentasche und werden im Gedränge von Ihren Mitreisenden alle zwei Minuten am Lesegerät vorbeigeschubst. Damit die Technik Ihnen nicht jedesmal den vollen Fahrpreis abbucht, muss sie erkennen, dass sie Ihre Karte schon registriert hat.

Auch muss die Karte wissen, ob Sie Student sind oder in den Genuss sonstiger Ermäßigungen kommen. Und wenn Ihnen, wie die BVG dies plant, automatisch der günstigste Tarif abgezogen werden soll (bei vielen Einzelfahrten könnte automatisch der günstigere Monatstarif berechnet werden), müssen auch Fahrten im System gespeichert bleiben, die Sie schon vor längerer Zeit zurückgelegt haben.

Damit das neue Verfahren überhaupt funktionieren kann, wird also eine technische Infrastruktur geschaffen, die die Speicherung und Bearbeitung von persönlichen Daten im Prinzip ermöglicht. Deshalb hat die BVG den Berliner Datenschutzbeauftragten in die Planung des Großversuchs einbezogen.

Seine Stellvertreterin Claudia Schmid erklärt: „Der Versuch ist mit uns abgestimmt. Die Zusammenarbeit mit dem BVG-Projektmanagement verlief sehr gut.“

Neben der Regelung bestimmter technischer Details geht es dem Datenschutz vor allem darum, dass die Versuchsteilnehmer wissen, auf was sie sich einlassen. Zum einen müssen sie darüber aufgeklärt werden, in welchem Umfang ihre Daten erfasst und bearbeitet werden. Zum anderen muss ihre Teilnahme freiwillig erfolgen, und für die Verarbeitung ihrer Daten muss ihre schriftliche Einwilligung vorliegen.

Für den Fall des Großversuchs sind diese Fragen bereits zur Zufriedenheit des Datenschutzbeauftragten geklärt. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass auch ein flächendeckender Alltagsbetrieb über den Versuch hinaus unbedenklich wäre. Schmid: „Da sind noch viele Fragen offen, aber an denen arbeiten wir bereits.“

Die BVG ist sich darüber im klaren, dass sie es in Berlin mit einem kritischen Publikum zu tun hat, das sich ungern in der Rolle des gläsernen Fahrgastes sähe. Da sie mit dem elektronischen Fahrschein neue Fahrgäste gewinnen und nicht die alten vergraulen will, tut sie gut daran, beim Ausräumen der Bedenken auf ihre Kunden zuzugehen.

Der Vorstandsvorsitzende der BVG, Rüdiger vorm Walde, jedenfalls möchte die Skeptiker beruhigen: „Wenn es im Modellversuch oder danach Probleme mit dem Datenschutz gibt, wird das Projekt des elektronischen Ticketing nicht weiter verfolgt.“ Martin Kaluza

Die Testphase wurde in enger Zusammenarbeit mit Berlins Datenschutzbeauftragten vorbereitet