Deserteure lehnen Torgauer Gedenkstätte ab

■ Im Torgauer Gefängnis Fort-Zinna sollte Wehrmachts-Deserteuren gedacht werden – und später dort inhaftierter Nazis. Auch über Berliner Sinti-und-Roma-Mahnmal wird debattiert

Berlin (taz) – Die Bundesvereinigung der Wehrmachts-Deserteure lehnt das für sie geplante Mahnmal in Torgau an der Elbe ab. Weil unterschiedliche Opfergruppen und damit auch Täter und Opfer auf demütigende Weise gleichgesetzt würden, „werden wir diese Gedenkstätte niemals akzeptieren“, heißt es in einem Schreiben der Bundesvereinigung an den sächsischen Wissenschaftsminister und Gedenkstätten-Vorsitzenden Hans Joachim Meyer (CDU). Der Brief, der den Minister erst in den nächsten Tagen erreichen soll, liegt der taz vor.

Mit dem geplanten Mahnmal, das auf einem Parkplatz vor dem Torgauer Gefängnis Fort-Zinna errichtet werden soll, soll sowohl der Opfer des früher dort ansässigen Reichskriegsgerichtes gedacht werden als auch den Inhaftierten der Jahre 1945 bis 1959. Der künstlerische Wettbewerb wurde gerade entschieden. In dem ausgewählten Entwurf werde jedoch zwischen den Opfergruppen keinerlei Unterschied gemacht, beklagte Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, gegenüber der taz. Zudem rückten die Deserteure bei der Gestaltung in den Hintergrund. „Wir werden nicht einmal gleich behandelt“, sagte Baumann verbittert.

Darüber hinaus kritisiert die Bundesvereinigung, dass Täter und Opfer gleichgesetzt werden. Denn unter den Inhaftierten der Jahre 1945 bis 1947 seien hunderte Mitarbeiter der Gestapo und des NS-Sicherheitsdienstes gewesen. Die gemeinsame Ehrung „werden wir uns und unseren Toten nicht antun“, schreibt Baumann in dem Brief an Meyer.

Der Streit, wie der Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland gedacht werden kann, hat sich damit auf eine weitere Opfergruppe ausgedehnt. Der Zentralrat der Sinti und Roma kämpft derzeit darum, das Mahnmal für die etwa 500.000 von den Nazis ermordeten Sinti und Roma südlich des Reichstags zu errichten. Die Stelle in einer Ecke des Tiergartens war dem Zentralrat 1994 und 1995 von einzelnen Berliner Senatoren als Standort zugesagt worden. Auch Kultur-Staatsminister Michael Naumann unterstützt diesen Vorschlag. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) steht dem Standort jedoch skeptisch gegenüber. Es gebe dazu keinen Senatsbeschluss, sagte ein Senatssprecher.

Zentrale Mahnmale sollen darüber hinaus die Homosexuellen, die Euthanasie-Geschädigten, die Zeugen Jehovas und die Kommunisten bekommen. Das legt der Bundestagsbeschluss zum Holocaust-Mahnmal fest. Eine Stiftung, in der der private Förderkreis um Lea Rosh, das Land Berlin, die Bundesregierung und gewählte Vertreter des Bundestags sitzen sollen, wird dazu Vorschläge machen. Offen ist auch noch die Gestaltung des Hauses der Information am Holocaust-Mahnmal. Einige Opfergruppen fürchten, dass darin eine Ausstellung zu allen NS-Opfern untergebracht werden soll und dann die anderen Mahnmale entfielen. Eine Sprecherin Naumanns bestätigte, dass der Bau der Mahnmale auch von der Gestaltung der Info-Zentrale abhänge. Genaue Pläne gebe es aber noch nicht. Jutta Wagemann