Querspalte

■ Metaphysik des deutschen Waschzwangs

Oh, welch böses Omen für das kommende Jahr 2000! Johanna König tritt ab, unsere Königin der Reinheit, uns allen bis ins dritte Glied nur bekannt unter dem Namen Clementine.

Zweiunddreißig Jahre wird sie ihren Dienst am deutschen Volke verrichtet haben. Einen Dienst, der in seiner porentiefen Bedeutung bis heute nicht begriffen wurde. Die „Kulturrevolution der Achtundsechziger“? Ein laues Lüftchen, verglichen mit dem Sturm, den Clementine im deutschen Volk entfachte. Nicht Adorno und seine Frankfurter Schüler, sondern Clementine wusste, wo die autoritäre Persönlichkeit zu packen ist. Clementine sprach: „Ariel wäscht nicht nur sauber, sondern rein“, und das deutsche Volk wendete sich ab von der Reinheit seines Volkskörpers und hin zur Reinheit seiner Wäsche. Clementine war es, die dem deutschen Waschzwang seine Metaphysik verlieh.

Clementine leistete damit das, wozu Generationen vor ihr nicht in der Lage waren: Sie kompensierte die ethnische Säuberung durch die von Textil und Baumwolle. Und die Germanen hörten schlagartig auf, alles Andersartige totzuschlagen. Aus „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ war „Ariel wäscht porentief rein“ geworden. Vom Arier zu Ariel: Ariel, die Waschmittel gewordene Sublimierung.

Ja, auch Clementine ist im Jahre 1968 angetreten, und nur der Zufall dieses zeitlichen Zusammentreffens ist schuld daran, dass wir bis heute die „Achtundsechziger“ als die antifaschistischen Aufklärer ansehen. Dabei ist nur Clementine die Zivilisierung der deutschen Barbaren zu danken. Clementine, Du bist die einzig wahre Achtundsechzigerin! Und wo stehen wir heute? Clementine, wir haben dich weiter bitter nötig: Sodom und Gomorrha, Verrohung und Verwahrlosung bedrohen wieder unser Land. Sogar die Sonne verdreckt!

Aber welch Wunder, wenn man selbst an oberster Stelle in diesem Staate nicht begriffen hat, dass es nicht „Ich will hier rein!“ sondern „Ich halte meine Wäsche rein!“ heißen muss. Armes Deutschland! Albrecht von Lucke