Dankbares Thema Serienmord

■ Schauspielkunst vs. Action: Hans-Christoph Blumenbergs „Tatort: Bienzle und der Zuckerbäcker“ (So., 20.15 Uhr, ARD)

„Immerhin wissen wir jetzt, dass er raucht,“ kommentiert Kommissar Bienzle trocken den Bericht der Spurensicherung, „und dass er seine Nägel manikürt, das ergeben die Kratzer. Also ist er wahrscheinlich ein sehr penibler Mensch. Einer, der noch in der größten Aufregung Ordnung schafft.“ – „Stimmt“, ergänzt Assistent Gächter, ohne von seinem Stadtplan aufzublicken, auf dem er den neuen Leichenfundort markiert, „den Tatort hat er immer sehr ordentlich verlassen.“

Serienmorde kommen gut im Krimifernsehen. Mit wenigen Worten lässt sich eine gespenstische Szenerie konstruieren: Das Böse ist unter uns. Es geht nächtens umher und es lässt sich von niemandem fangen!

Andererseits ist der Serienmord für die Drehbuchautoren keine geringe Aufgabe. Allzu leicht treten die Fernsehkommissare unansehnlich auf der Stelle, wenn ihnen ein konkreter Verdächtiger fehlt. Die Handlungsmuster sind arg eingeschränkt: Keine Suggestivfragen, keine Verfolgungsjagden, keine psychologischen Tricks. Autor Felix Huby ist ein alter Hase, und so unterläuft er das Schema und zaubert schon nach wenigen Minuten einen veritablen Verdächtigen aus dem Hut. Alexander Radszun spielt den Konditormeister Hasselt, der nach dem letzten Überfall bewusstlos am Tatort vorgefunden wird. Als harmloser Passant will er den unbekannten Psychopathen in die Flucht geschlagen haben. Bienzle freilich glaubt ihm kein Wort. Zu gut passen die Indizien auf den Zuckerbäcker, der sich im Folgenden prompt herrlich verdächtig unverdächtig gibt.

Unter der bildstarken, ruhigen Regie von Hans-Christoph Blumenberg wird uns fortan ein Kräftemessen geboten, wie es Schauspieler lieben: Hier Dietz-Werner Steck als kauziger, wortkarger Ermittler, dort der beeredte Alexander Radszun, der als Böser vom Dienst durch die Krimiserien geistert und also schon deshalb immer etwas Verdächtiges an sich hat.

So weit, so spannend. Leider traute niemand diesem kammerspielartigen Duell zu, dass es das Actionformat „Tatort“ über die volle Distanz von 90 Minuten tragen könnte, und so muss noch eine zweite Handlung dran glauben. Die freilich wirkt aufgesetzt und wenig glaubhaft. Bienzles Assi Gächter hat sich nämlich in die neue, ehrgeizige Lokalreporterin verliebt und tapst nun als liebestoller Depp durch die Szenerie, während seine Angebetete gegen alle Warnungen versucht, den Killer auf eigene Faust zu stellen. Sie macht sich selbst zum Lockvogel und fällt (recht so!) prompt ihrer Selbstüberschätzung zum Opfer.

So kommt es am Ende dann doch noch zu obligatorischer Verfolgungsjagd und „Stehenbleibenoderichschieße“. Das bis dahin elegant angelegte Psychodrama verliert so allerdings auf halber Strecke wichtige Zeit, um ordentlich zu Ende gespielt zu werden. Nun denn, immerhin scheitert das Projekt hier auf sehr hohem, sehr ansehnlichem Niveau. Klaudia Brunst