Keine Kracher, aber Bruno

taz testet die Liga (XIV): Bei Arminia Bielefeld wird zunächst Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sein    ■ Von Michael Becker

Wird Fußball gespielt? Sicher ein anderer als im Aufstiegsjahr. War man in der zweiten Liga noch bemüht, dem Gegner sein eigenes offensives Spiel mit zwei schnellen Flügelpärchen aufzuzwingen, wird in dieser Saison Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sein. Als Aufsteiger gehört es sich schließlich nicht, gegen die Großen anzurennen. Also werden zunächst einmal Tore verhindert. Wenn das klappt, wird munter gekontert. Schnelle Leute gibt es genug.

Wie funktioniert das 3-5-2? Routinier Thomas Stratos gibt eine Art Feldherr-auf-dem-Hügel-Libero. Der behält die Übersicht und weiß mit Marcio Borges (links) und Jacky Peeters (rechts) zwei Manndecker neben sich, die durchaus in der Lage sind, das Spiel nach vorne zu eröffnen. Vom Mittelfeld aus wirbelt dann Neuzugang Markus Weissenberger den Ball nach vorne.

Wer hilft? 1. Manager Bruchhagen, indem er sich – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rüdiger Lamm – der Rahmenbedingungen und somit der begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Klubs bewusst ist und dementsprechend wirtschaftet. Die Steuerfahndung wird nicht mehr anklopfen, wodurch sich das gesamte Umfeld beruhigen sollte.

2. Karim Bagheri, wenn er nach seiner Verletzung wieder einsatzbereit ist. Der Iraner stattet, so er denn in Form ist, Trainer Gerland („Der kann auf zehn Positionen spielen.“) mit zusätzlichen taktischen Alternativen aus.

Wer stört? 1. Das Leistungsgefälle innerhalb des Kaders. Sollte sich der ein oder andere Leistungsträger im Laufe der Saison verletzen, scheint es fraglich, ob das Potential der jungen zweiten Garde für den Klassenerhalt ausreicht.

2. Bruno Labbadia, allerdings nur Frank Pagelsdorf. Letzterer muss nun um seine Spitzenposition in der Arminia-internen Bundesligatorschützenliste bangen, die er mit 28 Treffern anführt.

Taugt der Trainer? Hermann Gerland ist der richtige Mann zur richtigen Zeit am rechten Ort. Er hat ein Auge für junge Talente und weiß mit ihnen umzugehen. Gerland bringt alle Voraussetzungen für die schwierige Aufgabe mit, diese in möglichst kurzer Zeit an das Leistungsniveau der Stammelf heranzuführen.

Taugt der Torwart? Bei einem Hüter mit einem geschätzten Jahresgehalt von ca. zwei Millionen Mark grenzt diese Frage an Majestätsbeleidigung. Georg Koch ist auf der Linie eine Bank und faustet Flanken sicher aus dem kritischen Bereich. Außerdem ist „der Georg halt ein Typ“ (Trainer Gerland).

Was tun die Neuen? Sehr unterschiedliche Dinge. Dem Österreicher Weissenberger kommt im offensiven Mittelfeld eine zentrale Rolle zu. Auch von Abwehrspieler Borges, den manche schon als „kleinen Julio Cesar“ bezeichnen, ist einiges zu erwarten. Im Sturm werden Berkant Göktan und Dirk van der Ven, der durch sein Äußeres und seine Art, den Ball mit dem Körper abzuschirmen, an Carsten Jancker erinnert, sich um den freien Platz neben Bruno Labbadia bemühen. Die übrigen jungen Neuen werden vorerst damit beschäftigt sein, sich durch gute Trainingsleistungen als Alternativen anzubieten.

Wie schießt man Tore? Vorzugsweise wie im Aufstiegsjahr, indem der Ball in die Mitte zu Bruno Labbadia gespielt wird. Da dieser es auf Grund der defensiveren Spielweise allerdings schwerer haben wird, sollen auch die Mittelfeldakteure verstärkt ihr Scherflein dazu beitragen, dass es ab und an beim Gegner klingelt.

Wer ist der Beste? Wenn er fit bleibt und seine Form aus der Vorsaison mit in die Bundesliga bringt, Bruno Labbadia. Der mittlerweile 33-Jährige blüht in Bielefeld förmlich auf: Er ist Kapitän, Leitfigur für die jungen Spieler und natürlich Torschütze Nummer eins.

Folge: Obwohl das Geld für spektakuläre Neuverpflichtungen fehlte, hat die Mannschaft ein nicht zu unterschätzendes Plus: Sie ist eingespielt – von den Leistungsträgern verließ nur Giuseppe Reina den Verein – und zehrt noch vom Selbstbewusstsein der Zweitligameisterschaft. Und wie sagt Manager Bruchhagen? „Vor zwei Jahren wurden hier reihenweise namhafte Kracher verpflichtet und der Verein ist als 18. abgestiegen. Eine Garantie gibt es also sowieso nicht.“

Gefühlter Tabellenplatz: Sofern die Mannschaft von größerem Verletzungspech verschont bleibt: 14.