Ökolumne
: Der Bessere gewinnt

■ Kaufhof oder Kirche: Nur das Sonntagsangebot entscheidet

Kirchen und Gewerkschaften prognostizieren den Untergang des Abendlandes, wenn es in Deutschland erlaubt würde, dass Geschäfte 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche ihre Waren anbieten dürfen. Als abschreckendes Beispiel werden gern die USA zitiert, doch wenn man dort genau hinschaut, stellt man fest, dass der freie Markt Nacht- und Sonntagsruhe schützt. Und Umfragen in Deutschland zeigen, dass Sonntagsarbeiter mit ihrem Leben ebenso zufrieden sind wie andere Erwerbstätige.

Die Sommerlochdiskussion um die Ladenöffnungszeiten lebt davon, dass die meisten Diskutanten die USA nur als Touristen erlebt haben, den Alltag aber nicht kennen. Man darf aber die Touristenmeile um den Times Square in New York City nicht mit den ganzen USA vergleichen. Um den Times Square herum gibt es viele kleine Familienbetriebe, die Essen, Trinken und Souvenirs anbieten, die niemals schließen, weil es eine entsprechend rastlose Kundschaft gibt. Wer aber jemals versucht hat, mitten in der Nacht im Norden des Staates New York mal eben um die Ecke zu gehen, um ein Sixpack Bier zu kaufen, der weiss, dass keineswegs alle Läden in den USA rundum geöffnet haben. Und selbst in den großen Supermärkten, die an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden geöffnet haben, werden die „Deli-Theken“, wo es frische Sachen zu kaufen gibt, um 20 Uhr – ebenso wie in Deutschland – geschlossen. Und um 21 Uhr machen alle Restaurants dicht. In der Marktwirtschaft führt eine schwache Nachfrage dazu, dass es kein Angebot gibt, auch wenn dies rein rechtlich erlaubt ist.

Trotz der (wenigen) Geschäfte, die sonntags geöffnet haben, ist in der amerikanischen Provinz der Sonntag ein echter Feiertag, und die vielen Kirchen werden deutlich besser besucht als in Deutschland die Gotteshäuser. Dies zeigt, dass es nicht ein restriktives Ladenschlussgesetz ist, das die Kirchen füllt, sondern dafür ist das „Angebot“ verantwortlich, dass die Kirchen ihren Mitgliedern machen. In den USA kann eine Kirche nur überleben, wenn sie die Menschen persönlich überzeugt, während in Deutschland nach wie vor die Kirchensteuer dafür sorgt, dass eine Kirchengemeinde auch dann existieren kann, wenn kaum jemand der Predigt zuhört. Solange die staatliche Unterstützung verhindert, dass die deutschen Kirchen ihr Angebot überdenken, solange hat Nikolaus Piper recht, der in der Süddeutschen Zeitung schrieb, dass man froh sein kann, dass eine am Sonntagmorgen geöffnete Bäckerei mehr Menschen in der Brötchenschlange ein Gemeinschaftserlebnis bietet als das leere Gotteshaus um die Ecke.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat mit seiner regelmäßigen Befragung ermittelt, dass im Durchschnitt Erwerbstätige, die regelmäßig sonntags arbeiten, mit ihrem Leben keineswegs unzufriedener sind als andere Erwerbstätige. „Regelmäßige“ Sonntagsarbeit bedeutet ja auch nicht, dass man jeden Sonntag arbeiten muss. Hier haben die Betriebe auch dazugelernt: Es sind nur deswegen immer mehr Menschen von Sonntagsarbeit betroffen (insgesamt etwa acht Millionen), weil diese Arbeit nicht mehr auf nur einen kleinen Kreis konzentriert ist, der jeden Sonntag arbeitet! Die Marktwirtschaft ist im Übrigen auch nicht dafür verantwortlich, dass Krankenschwestern, die naturgemäß auch sonntags arbeiten müssen, sehr schlecht bezahlt werden. Diese – durchaus skandalös schlechte – Bezahlung ist ein Ergebnis des staatlich regulierten Gesundheitswesens.

Die DIW-Befragungen zeigen auch, dass Sonntagsarbeiter sich durchaus auch in die Gesellschaft „einbringen“ – so sind sie zum Beispiel genauso oft ehrenamtlich tätig wie alle anderen Erwerbstätigen auch.

Unbegrenzte Ladenöffnungszeiten wären für viele Berufstätige eine große Erleichterung ihres Alltags, da es ihnen leichter fallen würde als jetzt, ihre Einkäufe zu erledigen. Das gilt insbesondere für erwerbstätige Mütter: In den USA etwa wird gerne am Sonntag mit der ganzen Familie Bekleidung eingekauft.

Im Interesse der Kunden sollte das Ladenschlussgesetz liberalisiert werden! Es würde nicht von profitgierigen „Kapitalisten“ ausgenutzt werden, da es gar keine permanente Nachfrage gibt. Da Nacht- und Sonntagsarbeit auch besser bezahlt wird als „normale“ Arbeitszeiten, werden Geschäftsleute aus Eigeninteresse ihre Läden nicht öffnen, wenn kein nennenswerter Umsatz anfällt. Deswegen darf man sich von längeren Ladenöffnungszeiten auch nicht die Rettung des Standorts Deutschland erhoffen: Der Umsatz würde kaum wachsen, aber er fiele zu kundenfreundlicheren Zeiten an. Gert Wagner