Vom Lotterleben zum Priester

■ Ein Leben mit vielen Wendungen: Buddhismus, Esoterik, viele, viele Frauen / Als Spätberufener kam Rainer von Carnap jetzt endlich zur katholischen Kirche

Von seinem früheren „Lotterleben“ sind nur die Zigaretten geblieben. Sonst geht ein Bruch durch Rainer von Carnaps Leben. Und der trennt in eine Zeit vor und in der Katholischen Kirche. Frauen, Esoterik, Astrologie – das war früher. Jetzt arbeitet der 48jährige als Diakon in der Pfarrei St. Johann. Im nächsten Jahr wird er zum Pfarrer geweiht.

Geplant war das so alles nicht. Zufall auch nicht. Gottes Fügung, sagt von Carnap zu seinem Lebensweg heute. Eine andere Erklärung habe er dafür nicht.

„Früher habe ich ganz schön gelottert“, gesteht von Carnap und zieht an der Zigarette. Die gleiche Marke wie früher. Da hat er noch „Beziehungen konsumiert“. Wieviel Frauen er hatte, mag er nicht schätzen. Viele jedenfalls. Einmal war er verheiratet. Standesamtlich und nur 16 Monate lang. Solange war er Vater von drei Stiefkindern, Stiefgroßvater von einem Enkelkind.

Mit 18 ist Rainer von Carnap aus der Kirche ausgetreten. Damals war er noch evangelisch. In der Schule hatte er gar mal eine sechs in Religion – „und das schafft man nicht so ohne weiteres“. Der Austritt war dann die logische Konsequenz. Er interessierte sich für Esoterik, Buddhismus, Hinduismus, Astrologie. An die Kirche hatte er nicht „einen Gedanken verschwendet“.

Aber dann. Ostermontag 1987 hat sich alles geändert. Früh am Morgen hatte er, der Nachtmensch, ein „Bekehrungserlebnis“. Ein Wort, gesteht er, das „nicht so unbedingt ins heutige Vokabular passt“. Für eine Erfahrung, die sich kaum beschreiben läßt. „Ein Gefühl von Liebe wie ich es noch nie kennengelernt habe“, habe er gespürt. „Überirdisch“ war das, sagt er. Und zutiefst erschütternd auch: Arme und Beine, erzählt er, wurden in die Form gelegt wie damals Jesus am Kreuz.

Anfangs hatte er sich geziert: „Warum nur – ich hab doch damit nichts zu tun“, erinnert sich von Carnap. Er hatte Soziologie studiert. Und Graphik Design. An solche „unsichtbaren Wirklichkeiten“, wie er sie heute nennt, hatte er nicht geglaubt. Dann ging er doch in die Kirche. In die Katholische. Denn die hatte jeden Tag das Abendmahl gefeiert. Und beim Abendmahl, sagt er, könne er diese Liebe wieder erfahren. Zwei Jahre später wurde er in die Katholischen Kirche aufgenommen.

„Jetzt tickt er nicht mehr richtig“, war die Reaktion seiner Freunde damals. Aber kaum jemand, klagt von Carnap, habe sich die Mühe gemacht nachzufragen. Zu vielen hat er heute kaum noch Kontakt.

Priester war von Carnap damit aber noch lange nicht. Wann der Groschen zur Berufung gefallen ist, weiß er heute nicht mehr. Lange jedenfalls hat er sich gewehrt: „Ich hatte doch schon zwei Berufe. Und nochmal zu studieren war nicht der Traum meiner schlaflosen Nächte.“ 1992 schrieb er sich trotzdem an der Uni Mainz für Katholische Theologie ein – mit der Option zur Priesterberufung.

Ob er was vermißt. Nein, sagt von Carnap. „Sexualität ist da. Ist ein Fakt.“ Aber es kommt darauf an, wie man damit umginge, sie in spirituelle Energie transferiert. Für Frauen und Kinder, sagt er, hätte er bei einem Arbeitspensum von über hundert Wochenstunden eigentlich auch gar keine Zeit.

Kritik an der katholischen Kirche? Wieder nein. Zwar „verstehe ich nicht alle Dogmen, aber ich kann sie annehmen.“ Eher will er sich selbst bemühen, sie zu verstehen. Das was er vermißt ist „die Bereitschaft und Fähigkeit zum Dialog“. Das ist schon alles. Und, fügt er hinzu, viele müßten eigentlich erlöster aussehen.

Viel Schlaf kriegt Rainer von Carnap nicht. Um 7:30 Uhr ist er morgens bei der Laudes. Mehr als vier, fünf Stunden Schlaf sind dann nicht drin. Ein Nachtmensch sei er immer noch. „Eine Hypothek, die ich noch nicht abstreifen konnte. Das muss ich noch hinkriegen. Das Rauchen auch.“ pipe