Lappland-Initiative
: Fuß-Prothesen aus Bremen zu Samen

■ Ein Bremer Verein will den letzten Ureinwohnern Europas helfen, die Globalisierung zu überleben

Ihre Lachsgründe werden an westliche Hobby-Angler verhökert, die Weidegründe ihrer Rentiere zerstört und ihr Lebensraum ist von Atomkraftwerken und Atommüll bedroht. Auch nach Ende der Sowjetherrschaft werden die Sámi der Kola-Halbinsel in Russisch-Lappland benachteiligt und von der Gesellschaft an den Rand gedrängt. Die Bremer Lappland-Initiative versucht, den letzten Ureinwohnern Europas zu helfen, für ihre Lebensweise und Kultur zu kämpfen.

Die Gründer der Initiative, Margret und Günter Böttcher, reisen seit 19 Jahren immer wieder nach Lappland. 1992 lernten sie in Finnland Nina Afanasjewa kennen. Die Präsidentin der russischen Kola-Sami-Vereinigung lud die Bremer nach Russland ein. Dort schockierten sie die Probleme der Sámi, und um den 2000 russischen Sámi auf der Kola-Halbinsel zu helfen, gründeten sie 1994 schließlich den Verein „Lappland-Initiative Bremen“. Die 28 Mitglieder des Vereins kommen aus ganz Deutschland.

Derzeit konzentriert sich der kleine Verein auf neun Projekte. Beispielsweise haben sie Schulpartnerschaften vermittelt und Hilfspakete nach Russisch-Lappland geschickt. Auf ihrer letzten Reise wurden sie von einem Bremer Orthopäden begleitet, der für den Rentierhirten Kasev Stepanenko Fußprothesen angefertigte. Er hatte sich geweigert die Tiere der Sovchose an zwei Russen zu verkaufen. Diese betäubten ihn mit Chloroform, stahlen die Rentiere und schütteten ihm Wasser in die Stiefel. Die Füße froren ab. Die Prothesen aus Murmansk erwiesen sich als unbrauchbar. „Mit den Prothesen aus Bremen wurde aber nicht nur Kasev Stepanenko geholfen“, erzählt Margret Böttcher. Auch für das ganze Dorf war die Aktion ein wichtiges Signal. „Einige hängen dort ganz schön durch.“ Damit sie nicht depressiv werden, sei es wichtig, ihnen eine Aufgabe zu geben und ihnen vor allem zu zeigen, dass man sie nicht vergessen hat.

Das versuchen die Bremer auch mit einem weiteren Projekt. In dem Dorf Loparskaja wollen sie ein Pflegeheim für alte, mehrfach zwangsumgesiedelte Sámi einrichten, in dem Menschen wie die 83 Jahre alte Anastasia leben können. Anastasia wurde, nachdem ihr Mann von Militär hingerichtet worden war, gezwungen, im Ural als Holzfällerin zu arbeiten. Heute wünscht sie sich nichts mehr, als zurück nach Loparskaja. Derzeit lebt sie in einem Altenheim in Murmansk und teilt sich mit drei anderen Frauen ein neun Quadratmeter großes Zimmer. In den fünf Monaten, die sie in dem Heim wohnt, war sie kein einziges Mal draußen. „Für Naturmenschen, wie es die Sámi sind, ist das ganz besonders schlimm“, sagt Margret Böttcher. Dabei hat sie jedoch noch Glück gehabt, denn die russischen Altersheime sind überfüllt. Nicht selten werden alte Menschen aus der Region in Altersheime im weit entfernten St. Petersburg gesteckt. Dort haben sie nicht einmal die Möglichkeit, ihre Verwandten zu sehen.

Die Lappland-Initiative Bremen will jetzt ein Haus für das Pflegeheim kaufen und einrichten, das Projekt ins Rollen bringen. Dann aber sollen die Sámi das Projekt selber verwalten und weiterleiten.

Kirstin Karotki