Schlechte Aussichten für Azubis

■  Zwei Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind immer noch tausende Jugendliche ohne Lehrstelle. Appelle an die Wirtschaft fruchten nur bedingt

„Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt der Region Berlin-Brandenburg ist verheerend.“ Bernd Rissmann, Vizechef des DGB Berlin-Brandenburg, ist sauer. Zwei Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres haben tausende Jugendliche keine Zusage für eine Lehrstelle, kritisiert der Gewerkschafter gegenüber der taz. Die Zahlen von Ende Juli sind deutlich: 28.000 Jugendliche waren in der Region noch nicht vermittelt, davon allein 17.000 in Brandenburg.

„Seitdem hat sich leider nicht so furchtbar viel getan“, sagt auch Dorothee Gordon. Die stellvertretende Referatsleiterin der Abteilung Berufsberatung im Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg berichtet von „intensiven Nachhak-Aktionen“. Diese sollten zur Reduzierung von nicht vermittelten Bewerbern führen. Doch der Erfolg ist ungewiss. Einen Grund, Entwarnung zu geben, sieht sie deshalb nicht.

In Berlin ist die Situation nicht ganz so dramatisch wie in Brandenburg. Ende Juli waren noch knapp 11.000 Berliner Jugendliche registriert, die eine Lehrstelle suchten. Damit war aber mehr als ein Drittel der Bewerber noch nicht vermittelt – einen Monat vor dem angestrebten Berufsstart. Klaus-Peter Florian, Sprecher der Arbeitsverwaltung, möchte diese Fakten jedoch nicht überdramatisieren. „In den Zahlen ist noch unheimlich viel Bewegung drin“, so Florian. Viele Betriebe würden den Abschluss von Ausbildungsverträgen nicht melden. Manche Bewerber hätten Mehrfachzusagen erhalten, ließen sich aber noch Zeit, sich für eine Stelle zu entscheiden, so Florian.

Florian zeigt sich sogar durchaus optimistisch: „In der Hauptstadt kriegen wir das hin. Bis zum Jahresende wird jeder, der will und kann, einen Ausbildungsplatz erhalten oder in eine berufsvorbereitende Maßnahme integriert sein.“ Dies sei jedoch nur durch erhebliche Anstrengungen der Arbeitsverwaltung zu erreichen. Deshalb verweist Florian auch auf die „Ausbildungsverpflichtung der Wirtschaft“. Florian: „Wer heute nicht ausbildet, kann morgen keine Geschäfte machen.“

Die Appelle an die Wirtschaft fruchten allerdings nur bedingt. Die Juli-Zahlen belegen, dass sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt weiter geöffnet hat. Auf 31.000 Bewerber kamen in Berlin 11.500 betriebliche Ausbildungsstellen. Im Vergleich zum Vorjahr waren dies zwar 1,2 Prozent mehr Stellen, dem standen aber auch 4,7 Prozent mehr Bewerber gegenüber. In Brandenburg spielt die betriebliche Ausbildung eine geradezu untergeordnete Rolle: 39.000 Bewerber stritten sich um rund 8.500 betriebliche Stellen.

Bernd Rissman vom DGB sieht deswegen das duale System – bestehend aus betrieblicher und berufsschulischer Ausbildung – als gefährdet an. „Viel zu viele Betriebe, die ausbilden könnten, tun das nicht“, so Rissmann. Diese müssten „dazu gezwungen werden“. Nötig sei eine Ausbildungsplatz-Umlage. Betriebe, die nicht ausbildeten, müssten dann in einen Fonds einzahlen, mit dem Lehrstellen finanziert werden könnten.

Für Hans Platte, Ausbildungskoordinator bei der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), ist die Umlage „kein Thema“. Platte: „Statt eine Art Strafe einzuführen, sollte man lieber in die Werbung investieren.“ Damit sei die IHK auch erfolgreich. Die Anzahl der ausbildenden Betriebe sei in den vergangenen Jahren gestiegen, so Platte.

Auch die Arbeitsverwaltung sieht die Ausbildungsplatz-Umlage nur als letzte Möglichkeit. Klaus-Peter Florian: „Wenn alles andere nicht fruchtet, muss man über einen gerechten Lastenausgleich nachdenken.“ Denkbar wäre dann auch eine Bundesratsinitiative des Senats, so Florian. Konkret sei diese aber noch nicht geplant. Zudem seien die Chancen einer solchen Initiative, durch das Ländergremium zu kommen, „äußerst gering“.

Richard Rother