Polizeizeuge belastet Israelis schwer

■  Beim Prozess gegen vier Kurden bringt ein Einsatzleiter der Polizei die Notwehrversion der Todesschützen ins Wanken. Gericht will rasches Ende des Verfahrens und fordert vergeblich ein Ende der Beweisaufnahme

Der große Kurdenprozess wegen der tödlichen Schüsse vor dem israelischen Generalkonsulat gewinnt an politischer Brisanz – und könnte doch schon bald ein schnelles Ende finden: Erstmals hat sich gestern einer der entscheidenden Polizeizeugen öffentlich zum Geschehen am Generalkonsulat geäußert und erneut Hinweise geliefert, dass die israelischen Sicherheitsbeamten die tödlichen Schüsse keinesfalls aus Notwehr abfeuerten. Zugleich signalisierte das Gericht sein Interesse, die Beweisaufnahme, die ursprünglich sehr umfangreich geplant war, nach der Anhörung nur eines Zeugen abzuschließen.

Seit vergangener Woche stehen vier Kurden vor Gericht, denen vorgeworfen wird, sich direkt an der sogenannten Erstürmung des Generalkonsulats beteiligt zu haben. Dort waren Mitte Februar vier Kurden, eine Frau und drei Männer, von Sicherheitsbeamten erschossen worden. Alle vier Angeklagten sind durch Schüsse verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft sieht darin einen Hinweis für eine direkte Tatbeteiligung, denn nur im Konsulat und in Richtung der Treppe wurde den Akten nach geschossen. Wer also von Schüssen getroffen wurde, müsse demzufolge an der Besetzung direkt beteiligt gewesen sein. Die vier Kurden sind vor allem des schweren Land- und Hausfriedensbruchs angeklagt.

Die Aussagen des Leiters der 23. Einsatzhundertschaft vermochten es gestern nicht, die Angeklagten direkt zu belasten. Der Polizist erklärte, keinen der Kurden als Täter wiedererkennen zu können. Der Polizeibeamte beschuldigte die israelischen Sicherheitsbeamten schwer: So sei die Tür des Konsulats nach Aussage des Beamten von innen geöffnet worden, während über ein Dutzend Kurden auf der Treppe zum Haupteingang der Vertretung standen. Dann habe er zwei Männer, offenbar die Israelis, gesehen, die im Eingangsbereich der Vertretung vor den Kurden eine Kampfhaltung eingenommen hätten, das heißt ihre Pistolen mit zwei ausgestreckten Armen hielten. Er habe sich hinter einer Mauer in Sicherheit gebracht und „deutlich mehr als zwanzig Schuss“ gehört. Daraufhin seien die Kurden von der Treppe geflohen. Bisher hatten die Israelis stets erklärt, es seien insgesamt nur 17 Schuss abgegeben worden – ausschließlich innerhalb des Konsulats und nur in Notwehr. Lediglich ein Schuss sei vom Gebäude nach draußen abgegeben worden, als Warnschuss in die Luft, hieß es von den Israelis stets.

Der Zeuge verwickelte sich in Widersprüche, da er in einer früheren Vernehmung den Akten zufolge gesagt hatte, er habe gesehen, dass die Israelis geschossen hätten. Außerdem hatte er ausgesagt, die Israelis hätten sogar nach außerhalb des Konsulats-Geländes geschossen, nicht nur in Richtung Treppe auf dem Gelände.

Der Vorsitzende Richter Walter Neuhaus demonstrierte dennoch sein Interesse, den Prozess schnell zu beenden. Er fragte die Staatsanwaltschaft, ob man von weiteren Zeugen Aussagen erwarten könne, die die Angeklagten noch stärker belasten könnten. Wenn nicht, neige das Gericht dazu, die Beweisaufnahme abzuschließen. Die Staatsanwaltschaft votierte jedoch nach kurzer Beratung gegen ein Ende der Beweisaufnahme. Am Freitag wird der Prozess fortgesetzt. Philipp Gessler