SPD-Zentrale setzt Mini-Jobber vor die Tür

■ Die Partei, die für 630-Mark-Jobs kämpft, hat das Problem der von ihr selbst eingeführten Versicherungspflicht gelöst: Von 70 Geringverdienern in der Berliner Parteizentrale bleiben nur 8

Berlin (taz) – Ob die Neuregelung der sogenannten Mini-Jobs Arbeitsplätze schafft oder vernichtet, ist in der Wirtschaft noch nicht raus. Bei der Partei, die für 630-Mark-Jobs so wortgewaltig auf Veränderung drängte, ist die Beschäftigungssituation bereits entschieden: Im Berliner Willy-Brandt-Haus der SPD bleiben von ehemals 70 studentischen Hilfskräften und geringfügig Beschäftigten gerade acht übrig.

Die Neuregelung der 630-Mark-Arbeitsverhältnisse war eine der ersten Maßnahmen der SPD-geführten Bundesregierung. „Wir schaffen dadurch mehr soziale Sicherheit“, begründete Arbeitsminister Walter Riester die Maßnahme – ein Versprechen, dem die von der SPD gefeuerten Mini-Jobber nichts abgewinnen können. „Das ist peinlich für die SPD“, findet Daniel Gejec. Das Jobben bei der Sozialdemokratie kann sich der Student nicht mehr leisten. Nachdem die Geringverdienerstellen zum 1. April gesetzlich neu geregelt worden waren, war ihm und seinen Kollegen in der Berliner Parteizentrale zunächst eine Lohnabrechnung auf studentischer Basis angeboten worden. Die große Überraschung kam, als er seinen Lohnstreifen sah: Gejec' Stundenlohn sank von 15 auf 11 Mark. Die Partei hatte ihn nicht als Student, sondern als Geringverdiener abgerechnet – also teurer, weil versicherungs- und steuerpflichtig. Gejec auf sein altes Lohnniveau zu bringen, lehnte die SPD ab. „Man hat uns seit April hingehalten“, schimpft der Student, „es wurde nie mit uns über die Änderungen geredet – aber weiterarbeiten mussten wir.“

Unmittelbar zuständig für Gejec und seine Kollegen ist eine der SPD gehörende Verwaltungs-GmbH. Sie organisiert den Besucherdienst im Willy-Brandt-Haus, veranstaltet Führungen, Parteifeste – und hilft beim Wahlkampf. Bis April waren 70 Studenten und Geringverdiener regelmäßig für die SPD-Firma tätig. Jetzt hat sie acht von ihnen Stellen angeboten. „Das ist ein Schlag ins Gesicht“, beschwert sich Sascha Topp, Student und SPD-Helfer – bislang: „Ich werde dort aus Prinzip nicht mehr arbeiten“.

Viele der Mitarbeiter hatten mehrere Jobs zur Absicherung ihres Lebensunterhalts. Nach dem neuen 630-Mark-Gesetz bleibt von der Arbeit im Willy-Brandt-Haus zu wenig übrig. Ein Teil der Mitarbeiter kündigte freiwillig, für die anderen gibt es keine Stellen mehr.

Die SPD lehnt jede Verantwortung für den Rauswuf der Minijobber ab. Die Partei habe mit den Kündigungen nichts zu tun, sagte die Sprecherin des Parteivorstandes, Marion Uhrig – und verweist auf personelle Veränderungen in der Verwaltungsgesellschaft. Deren Geschäftsführer, Ingo Moll, begründet die Umstrukturierung mit dem Einzug des Parteivorstands im August: „Viele Aufgaben sollen jetzt umverteilt werden. Außerdem muss es aus Sicherheitsgründen mehr Überblick über die Beschäftigten geben.“ Die Verwaltungs-GmbH wolle im täglichen Geschäft verstärkt auf Fremdfirmen setzen. Ingo Moll ist zugleich Geschäftsführer der GmbH und Abteilungsleiter für Finanzen bei der Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier. Die Kassenwartin hatte es selbst übernommen, den Minijobbern die schlechte Nachricht vom Rausschmiss zu überbringen.

Die Betroffenen selber wollen sich wehren – mit sozialdemokratischen Mitteln: Sie gründen einen Betriebsrat. Da die Kandidaten vor Kündigung geschützt sind, haben sich zwanzig der Geringverdiener auf die Wahlliste gerettet – für sechs Monate. Margret Steffen