Über tausend Tote bei Beben in der Türkei

■  In Istanbul und dem westtürkischen Industriegebiet werden die Menschen zu Tausenden unter Trümmern begraben. Die Regierung in Ankara bittet um internationale Hilfe bei der Suche nach Überlebenden

Istanbul (AP/dpa/rtr/taz) – Der Tod kam um 3.02 Uhr Ortszeit. Nur 45 Sekunden bebte am gestrigen frühen Morgen die Erde im Nordwesten der Türkei. Über 1.000 Menschen wurden getötet. Wie die Regierung in Ankara mitteilte, wurden zunächst 5.550 Verletzte registriert. Der Bürgermeister der am schwersten betroffenen Stadt Gölcük, Ismail Baris, erklärte, möglicherweise seien 10.000 Bewohner unter Trümmern verschüttet.

Nach türkischen Angaben hatte das Beben eine Stärke von 7,8 auf der Richter-Skala, so viel wie das verheerende Beben, das 1906 San Francisco in Schutt und Asche legte. Messinstrumente registrierten gestern mehr als 250 Nachbeben. Das Epizentrum befand sich in der Nähe der Industriestadt Izmit, östlich von Istanbul. Dort ging eine Ölraffinerie in Flammen auf. In Gölcuk, in der Nähe von Izmit, wurden mindestens 20 Marinematrosen in einer Kaserne getötet. Gestern Abend wurden noch 250 weitere unter den Trümmern vermutet.

Nach ersten Schätzungen wurden in der Region um das Marmarameer mindestens 21 Gebäude vollständig zerstört. In der 10-Millionen-Metropole Istanbul wurden gestern 40 Tote gemeldet. Doch die Zahl dürfte noch massiv steigen, da die Bergungsarbeiten nur langsam vor sich gingen. Betroffen sind vor allem die armen Vororte der Stadt am Bosporus. Viele Einwohner suchten gestern trotz Warnungen mit bloßen Händen nach verschütteten Angehörigen und Freunden. Strom- und Telefonnetz waren gestern stundenlang unterbrochen, was den Informationsfluss über Schäden und Rettungsmaßnahmen stark behinderte.

Die meisten Toten wurden dem staatlichen Fernsehsender TRT zufolge in der Provinz Sakarya gezählt. Dort seien 343 Leichen aus den Trümmern eingestürzter Gebäude geborgen worden. Das Katastrophengebiet ist das am dichtesten besiedelte der Türkei und zugleich das industrielle Zentrum des Landes. Die türkische Regierung schickte Nahrungsmittel, Medikamente und Zelte in die Region. Sie bat zudem um internationale Hilfe.

Die wurde gestern angeboten. Das Auswärtige Amt in Berlin stellte eine Million Mark Soforthilfe zu Verfügung. Bundesaußenminister Joschka Fischer schickte eine Art Kondolenzbrief an seinen türkischen Amtskollegen Ismail Cem: „Ich möchte Ihnen meine tiefe Anteilnahme aussprechen. Sie gilt den Opfern und ihren Angehörigen, aber auch den türkischen Mitbürgern in unserem Lande, die im Erdbebengebiet Verluste zu beklagen haben.“ Deutsche Urlauber sind nach den Erkenntnissen des Außenministeriums nicht unter den Opfern.

Bergungstrupps des deutschen Technischen Hilfswerks starteten gestern Morgen Richtung Istanbul. Helfer des Deutschen Roten Kreuzes folgten. Russland und die Schweiz schickten Rettungspersonal, auch Israels Präsident Eser Weizman bot Hilfe an. Selbst Griechenland – Erzfeind der Türkei – schickte 22 Helfer samt Spürhunden. taud

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