„Aus dem Machen kommt die Kraft“

■ Warum der deutsche Autorenfilm heute noch wichtig ist: Ein Interview mit dem Regisseur Stephan Wagner

taz: Ihr Film ist ohne Förderung entstanden. Wie haben Sie das gemacht?

Stephan Wagner: Mit sehr wenig Geld. Aber ich wollte nicht drei Jahre warten, bis der Film die ganzen Förderinstanzen durchlaufen hat. Filmemachen ist, abgesehen von der guten Idee, eine Frage des Machens und nicht eine Frage des Verwaltens. So wichtig die Filmförderung und ihre Struktur auch ist – das Machen gerät dabei in den Hintergrund. Aus dem Machen kommt aber die Kraft. Was haben wir von Projekten, die wunderbar alle Kriterien erfüllt haben, aber dann völlig ausgelaugt sind? Es geht um Schlagfertigkeit, um unmittelbares Umsetzen, um Begeisterung, und darum, diese Begeisterung in die Arbeit hineinzutragen.

Wie lange haben Sie an „Kubanisch Rauchen“ gearbeitet?

Insgesamt hat es dann auch zwei Jahre gedauert. Aber diese zwei Jahre waren eben unmittelbares Arbeiten daran und nicht Warten auf Zusagen irgendwelcher anderen Leute. Das Problem ist, dass unsere Kinolandschaft Autorenfilme so verdammt. Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist, aber „Autorenfilm“ ist zum Schimpfwort geworden.

Man denkt eben bei Autorenfilm immer gleich an Wenders, Herzog und Schlöndorff ...

Wenn ich an Autorenfilmer denke, dann denke ich an Francis Ford Coppola, an Lars von Trier, an James Cameron. Gibt es einen erfolgreicheren Autorenfilmer als James Cameron?

Warum also dieser Hass auf den Autorenfilm?

Ich hab' das Gefühl, dass viele Funktionäre, die aus dieser Generation kommen, damit auch ihre eigene Vergangenheit verdammen. Für mich gibt es auch im deutschen Autorenfilm wichtige Anknüpfungspunkte für das heutige Filmemachen. Fassbinder ist wichtig, wegen seiner Unmittelbarkeit der Umsetzung. Dieser Mann war eine Maschine, die gesprüht hat. Das wäre heute nicht möglich – leider! Oder wenn ich an Filme von Schlöndorff aus den 70er Jahren denke: Dieser wunderbare Film mit Hanna Schygulla in Beirut beispielsweise oder „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – das sind alles Anknüpfungspunkte, die man nicht einfach wegschieben kann, nur weil Menschen den Gedanken nicht ertragen können, wie es war, als sie dreißig waren.

Gut gebrüllt ...

Wir haben noch eine Tradition, auf die wir blicken können: Wo kommen denn all die Filme her, auf die die amerikanische Filmgeschichte so stolz ist? Wieviel hat das auch mit uns zu tun: Murnau, Douglas Sirk, Billy Wilder, Ernst Lubitsch ... Auch damals sind viele Regisseure aus Deutschland weggegangen, weil sie ihre Filme hier nicht so unmittelbar umsetzen konnten wie in Amerika – abgesehen davon, dass unsere Großeltern einen wichtigen Bestandteil des kulturellen Schaffens einfach ausgemerzt haben. Aber auf diese filmischen Traditionen könnte man sich berufen und sie in filmischen Reflexionen einbringen.

Sehen Sie Verbündete in Ihrem Bestreben, eine Auseinandersetzung mit dem Erbe des Autorenfilms zu fördern?

Vereinzelt ja. Das Problem ist, wenn man sich dazu offen bekennt, ist man sofort offstream. Taktieren ist natürlich wichtig in diesem Umfeld. Ich bin kein großer Taktierer. Es gibt wenige Regisseure, die sich in dieser Art und Weise bekennen. Aber ich denke mal, dass Regisseure wie Andreas Dresen oder Andreas Kleinert – die das natürlich in ihrer eigenen ostdeutschen Tradition reflektieren – ziemlich ähnlich argumentieren.

Man muss auch mal was anderes predigen als dieses Schielen nach dem amerikanischen Markt. Das eine ist die Realität – es gibt ja eine Marktstruktur, die Realität ist –, aber es gibt auch ein Bewusstsein, mit dem man sich bewegt. Und das muss nicht unbedingt die Realität bedienen. Sonst passiert nie etwas Neues.

Das Drehbuch zu „Kubanisch Rauchen“ ist erst während der Dreharbeiten nach und nach zu seiner endgültigen Form gewachsen. Ist diese Art des Arbeitens aus der Not geboren oder etwas, das Sie – etwa wie Mike Leigh in seinen Filmen – bewusst einsetzen?

Ich würde mit viel Geld genauso arbeiten. Es gibt sehr stringente Geschichten, die eine solche Arbeitsweise nicht brauchen. Aber wenn man von Lebensgefühlen erzählen will, muss man auch Situationen schaffen, die dieses Lebensgefühl widerspiegeln. Die lassen sich sehr schlecht am Reißbrett entwickeln.

Das Problem ist: Diese Arbeitsweise ist für die Geldseite – also was Förderung und Produzenten anbetrifft – am wenigsten greifbar. Das macht es sehr schwer, so einen Film zu drehen. Das Vertrauen ist einfach nicht da. Deshalb ist „Kubanisch Rauchen“ eben so ein wichtiger Schritt: Er zeigt, dass dieses Vertrauen nicht missbraucht würde. Interview: Axel Henrici