„Warum Pillen anstatt drei Tage Bettruhe?“

■ Andreas Heeke, Pharmaexperte der AOK Berlin, hilft Ärzten, die Kostenbudgets einzuhalten. Bis zu zwanzig Prozent der Kosten ließen sich ohne Konsequenzen für die Patienten einsparen

taz: Ein Aktionsplan soll helfen, die Kosten bei den Arzneimitteln zu begrenzen. Reichen diese Empfehlungen?

Andreas Heeke: Das Arzneimittelbudget kann problemlos eingehalten werden, wenn die Verabredungen konsequent umgesetzt werden. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Gemeinsam mit der hiesigen Kassenärztlichen Vereinigung beraten wir seit einem Jahr Ärzte, deren Arzneimittelverordnungen über dem Rahmen liegen. Diese 250 Praxen haben im Durchschnitt ihre Ausgaben für Arzneimittel um fünf Prozent gesenkt, ohne dass die Versorgung der Patienten Schaden genommen hätte.

Wie sieht Ihre Beratung aus?

Wir analysieren mit dem Arzt alle Rezepte, die er innerhalb eines Quartals ausgestellt hat. Wir klären, ob seine Kosten zu hoch sind, weil er eine besonders kranke Klientel versorgt oder ob sich in seiner Praxis Strukturen eingeschlichen haben, die die Kosten in die Höhe treiben. Wenn ein Arzt zum Beispiel viele Antibiotika verschreibt und dies damit begründet, es seien so viele Leute mit Erkältungen gekommen, erklären wir ihm, dass diese Mittel bei einer Viruskrankheit nicht wirken.

Patienten kommen mit dem klaren Anspruch zum Arzt, das beste und neueste Mittel zu bekommen – egal was es kostet.

Das stimmt nicht. Untersuchungen zeigen, dass Patienten wissen wollen, ob ihre Erkrankung ernsthafter Natur ist oder nicht und ob sie behandelt werden muß. Es wäre für den Patienten kein Problem, würde der Arzt statt Pillen drei Tage Bettruhe verordnen. Aber das Rezept gehört auch schon zur Berufsauffassung vieler Ärzte. Und manchmal lassen sich Rezepte auch gut zur Praxisrationalisierung nutzen: verschreiben geht schneller als beraten.

An der Kostenexplosion sind die raffgierigen Ärzte schuld?

Nein, die Palette der Medikamente ist zu breit. Ärzte können gar nicht so einfach entscheiden, ob die Arzneimittel im richtigen Preis-Leistungs-Verhältnis stehen. Wir helfen Ärzten, eine überschaubare Struktur an Medikamenten aufzubauen. Unsere Erfahrung ist, dass in Praxen mit einem überschaubaren Produktspektrum auch meistens die Kostenseite stimmt.

Wollen Sie jedem Arzt einen Berater zur Seite stellen?

Eine gute und von der Pharmaindustrie unabhängige Beratung würde schon einiges an Kosten senken. Jede Mark, die für meinen Job ausgegeben wird, spart zwischen vier und acht Mark an Arzneimittelausgaben. Ich schätze, dass sich 20 Prozent der Ausgaben sparen ließen, ohne dass die Patienten schlechter versorgt werden.

Interview: Annette Rogalla