Kranke dürfen gesund werden

Die Gesundheitsministerin Andrea Fischer und die Ärzteschaft einigten sich im Dauerstreit um die Verschreibung von Medikamenten  ■   Aus Berlin Annette Rogalla

Die Kosten im Arzneimittelbereich sollen im gesetzlich vorgegeben Bereich bleiben, die Ärzte nehmen die Androhung des „Notprogramms“ zurück. Dies verkündeten Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und die Standesvertretung der niedergelassenen Ärzte (KBV) am späten Dienstagabend in einer gemeinsame Erklärung. Der heftige Zank der vergangenen Monate scheint somit beigelegt.

Ein „Aktionsprogramm“ soll helfen. Statt kostspieliger Originalmedikamente müssen Ärtze künftig konsequent preisgünstige Nachahmerprodukte, so genannte Generika, verordnen. Dadurch, so der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Eckhart Fiedler, könnten bis zu 2,7 Milliarden Mark gespart werden. Bei bestimmten Präparaten, deren therapeutischer Nutzen nicht eindeutig ist, soll der Arzt sich vor der Verordnung bei einem zweiten Kollegen rückversichern. Eines werden Patienten über 18 Jahre demnächst sehr deutlich spüren: Bei Erkältungen und grippalen Infekten darf der Arzt weder Husten-, Schnupfen- noch Schmerzmittel verordnen.

Damit die freundliche Vereinbarung der Spitzenvertreter nicht in der Praxis verpufft, will die KBV alle niedergelassenen Ärzte gezielt über den therapeutischen Nutzen, die Anwendungsgebiete und die Kosten von Arzneimitteln aufklären. Sowohl KBV als auch Andrea Fischer unterstreichen in ihrer Erklärung, dass die Versorgung der Patienten mit notwendigen Arzneimitteln gesichert sei.

Ein Streitpunkt wurde bei dem Gespräch allerdings ausgeklammert: Was passiert, wenn die Ärzte das Budget doch nicht einhalten? In dieser Frage beharrte Andrea Fischer bislang auf ihrem Recht, die Ärzte in Regress nehmen zu können. Ob die zwanglose Vereinbarung vom Dienstag die Kosten im Rahmen halten kann, lässt sich erst im Frühjahr kommenden Jahres überprüfen, wenn die Rezepte des laufenden und des vierten Quartals 1999 abgerechnet werden. Das Budget sieht für dieses Jahr 39 Milliarden Mark vor, bis zum Juni hatten die Ärzte bereits 53,4 Prozent des Etats ausgegeben. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, begrüßte das Ergebnis. Dieter Thomae, FDP-Gesundheitsexperte, sprach dagegen von „einem faulen Kompromiss“. Ob die neue Freundlichkeit zwischen Ärzteschaft und Ministerin tragfähig ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn Andrea Fischers grundlegende Gesundheitsreform im Parlament verabschiedet wird. Ihr Entwurf sieht ein Globalbudget für alle Ausgaben im Gesundheitswesen vor und eine Strukturreform.