Skandalöser Freispruch

■ Vor drei Jahren hat die Militärpolizei in Brasilien 19 Landlose massakriert

São Paulo (taz) – Für João Pedro Stédile, den Chef der Landlosenbewegung MST, ist es eine „nationale Schande“: Am Donnerstagmorgen sprach eine Jury im nordbrasilianischen Belém die drei Hauptverantwortlichen des Blutbades frei, das die Militärpolizei am 17. April 1996 angerichtet hatte.

Damals war sie angetreten, eine Straßenblockade protestierender Landloser bei Eldorado do Carajas im Amazonasgebiet zu räumen. Aus heiterem Himmel hatte die Polizei das Feuer auf die 1.500 DemonstantInnen eröffnet. 19 Menschen wurden zum Teil aus nächster Nähe ermordet, 69 weitere schwer verletzt. Bereits unmittelbar nach dem halbstündigen Gemetzel hatten die Polizisten sämtliche Leichen und kompromittierenden Spuren gründlich beseitigt. So konnten beispielsweise die Mordwaffen keinem einzelnen Schützen zugeordnet werden. Bis Dezember wird zwar noch gegen die 147 untergebenen Polizisten verhandelt, doch nach dem gestrigen Präzendenzfall haben sie nichts mehr zu befürchten.

Die dreitägigen Verhandlungen fanden in einer gespannten Atmosphäre statt: Vor dem Tagungsgebäude standen hunderte von MST-Mitgliedern und Militärpolizisten einander gegenüber. Vor Gericht fehlten drei der fünf nominerten Zeugen, weil ihnen die Fahrtkosten nicht erstattet wurden. Dass die Angeklagten sich wiederholt in Widersprüche verstrickten, geriet ihnen nicht zum Nachteil. Hauptmann José Almendra Lameira gab zu, dass sich mindestens ein Zivilpolizist unter die Landlosen gemischt hatte. Oberst Mário Pantoja und Major José Maria de Oliveira wollen weder Schießbefehle erteilt noch gesehen haben, welche ihrer Untergebenen das Feuer auf die Demonstrierenden eröffneten. Den Einsatzbefehl zur Räumung der Straße soll Gouverneur Almir Gabriel gegeben haben – doch der war nur als Zeuge der Verteidigung vorgeladen worden und bestritt den Vorwurf. In der Anklageschrift wird behauptet, die Polizisten seien von örtlichen Großgrundbesitzern zum Massaker angestiftet worden.

Das Urteil verbitterte die Führung der MST, die gerade für einen landesweiten Protestmarsch auf die Hauptstadt Brasilia mobilisiert. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, innerhalb von fünf Tagen in die Berufung zu gehen. Gerhard Dilger

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