Zeit der Brüche

■ Drum & Bass mit neuem Geschmack: Roni Size, seine Kumpels und die Sängerin Leonie Laws als Breakbeat Era im Pfefferberg

Es sind der alte Optimismus, die alte Großkotzigkeit und die alten Träume von der „Post-Millennium-Tension“, die mit diesen Namen transportiert werden: Breakbeat Era. So nennt sich das neueste Projekt aus dem Hause Full Cycle, besser bekannt als Labelheimstatt der Drum&Bass-Posse um Roni Size, DJ Krust oder DJ Die in Bristol. Ein Projekt, mit dem Roni Size und die seinen ein weiteres Mal versuchen, dem ausgehenden Sommer und natürlich den vielen im nächsten Jahrtausend folgenden einen neuen eigenen Flavor zu geben: Drum&Bass mit Vocal-Lines.

Allerdings gibt es da ein Problem mit den vielen Zeitaltern, durch die Drum&Bass schon hindurchgegangen ist: So schnell sie in den vergangenen Jahren ausgerufen wurden, so schnell waren sie auch schon wieder vorbei. Die jeweiligen DJs und Produzenten fanden sich zumeist ruck, zuck in den eigenen kleinen Höhlen und Basisstationen wieder, und nur die ARD ließ es sich, wertkonservativ wie sie ist, auch in diesem Jahr nicht nehmen, ihre Trailer für die Tour de France mit gefälligem Drum&Bass auszuschmücken.

Und gleich den Kollegen, die sich die ganzen Jahre, in denen Drum&Bass vermeintlich brach, als eine „revolutionäre Generation“ verstanden, die nicht weniger als den „21st Century Soul“ produzierte, war man auch in Bristol nie um die ganz großen Worte verlegen: „A New Era in Drum&Bass“ versprach man mit der 1996 veröffentlichten „Music Box“, und ein Jahr später wollte Roni Size dann als Reprazent gleich ganz „neue Formen“ droppen.

Doch anstatt nun total abzustürzen (wie Goldie) oder immer wieder nur den einen Stiefel runterzuspielen (wie LTJ Bukem), lässt man in Bristol den großen Worten auch einiges an Taten folgen. Die Spanne zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist hier keine ganz so große, hier werden tatsächlich immer wieder neue Formen ersonnen, hier wird ausprobiert und herumexperimentiert, selbst auf die Gefahr hin, sich zwischen alle Stühle zu setzen.

War „New Forms“ der Versuch, mittels auffälliger und nicht zu weniger Acid-Jazz- und Funk-Partikel Drum&Bass aus der Ecke der Kapuzenpulliträger herauszuholen (was man auch auf der Bühne mit einer Art Live-Drum&Bass-Big-Band umzusetzen versuchte: Das war schön anzuhören, ging hinsichtlich Publikumszuspruch aber doch ziemlich in die Hose), so setzt man jetzt mal der Abwechslung halber zusammen mit der Sängerin Leonie Laws auf die Verbindung von Gesang und Drum&Bass. Nicht unbedingt neu – Leonie begleitete seinerzeit auf „Music Box“ auch den Track „Breakbeat Era“ mit ein paar Vocals –, aber doch mutig genug, um sich erneut in die Nesseln auch jenseits von Everything But The Girl und vergleichbaren Trip-Hop-Modellen zu setzen. So bekommen die Puristen eins auf die Nase, für die Drum&Bass weder mit einem MC noch mit klassischem Gesang geht, und so wird es auch diesmal nicht reichen für den ganz großen Wurf, der da Hitparaden heißt.

Leonie Laws hat eine zwar schöne, aber doch irgendwie zu dunkel-brüchige Stimme, um genau die Freude und Glückseligkeit auszustrahlen, die man in schicken Clubs der Metropolen bevorzugt. Ihre Freundin ist die Nacht (aber nicht die, die man in den Clubs verbringt, sondern die einsam, allein und draußen verbrachte), das hört man aus jeder Zeile heraus, und ihre anderen Freundinnen sind Beth Gibbons von Portishead und PJ Harvey.

Und die Beats von Roni Size und DJ Die sind immer noch zu rau und heftig, als dass sie für den harmonischen Pärchentanz taugen könnten, die wollen immer noch allein und in den dunklen Ecken in den Griff bekommen werden. Dass man sich allerdings bei einer Live-Performance, wie sie für die heute Abend stattfindende Drum&Rhythm-Night angekündigt ist, gern eines Besseren belehren lässt, versteht sich natürlich von selbst. Gerrit Bartels
‚/B‘Sa., 22 Uhr, Pefferberg, Schönhauser Allee 176