„Die Aluminiumproduktion ist ein Elefantengeschäft“

■ Nummer zwei auf dem Weltmarkt will Nummer eins verdrängen – doch die wehrt sich. Fusionen sind Reaktion auf Überkapazitäten und ermöglichen weitere Preissenkungen

Berlin (taz) – In der Aluminiumbranche ist ein heftiger Kampf um den Spitzenplatz am Weltmarkt entbrannt. Angefangen hat alles in der vergangenen Woche, als die schweizerische AluSuisse-Lonza-Gruppe (Algroup), die kanadische Alcan und die französische Pechiney ihren Plan ankündigten, zum weltgrößten Konzern der Branche mit dem vorläufigen Namen APA zu fusionieren. Die derzeitige Nummer 1 der Aluminiumhersteller, die amerikanische Alcoa Inc., reagierte auf den drohenden Verlust ihres Spitzenplatzes mit einem Übernahmeangebot für die Reynolds Metals Company.

Die Nummer 3 der Weltrangliste war ihr allerdings nur 4,2 Milliarden Dollar wert. Prompt wies der Reynolds-Vorstand das Angebot als unzureichend zurück. Als die Alcoa Inc. ihr Gebot auf 4,4 Milliarden Dollar erhöhte, ging er dann aber doch auf den Deal ein.

Verbindlich ist diese Zusage allerdings nicht. Innerhalb der nächsten 30 Tage kann sich die Reynolds Metals Company immer noch einem attraktiveren Fusionspartner zuwenden, zum Beispiel der Investmentfima Michigan Avenue Partners, die bereits angekündigt hat, dass sie das Gebot der Alcoa Inc. überbieten werde.

Hintergrund der Fusionswelle sind die erheblichen Überkapazitäten der Aluminiumbranche und der schon seit Jahren schwache Preis des Leichtmetalls. Mit allen Mitteln suchen die Aluminiumproduzenten nach Einsparmöglichkeiten. Großes Vorbild der Branche war und ist die Alcoa Inc. Der Aluminium- und Verpakkungsriese hat im vergangenen Jahr 15,5 Milliarden Dollar umgesetzt und sich mit drastischen Sparmaßnahmen, einer gelungenen Produktionsoptimierung und strategisch sinnvollen Firmenaufkäufen eine besonders vorteilhafte Position verschafft.

Die wollen ihr Alcan, Algroup und Pechiney nun streitig machen. Das von ihnen geplante Mega-Unternehmen wird in der Bauxit-Förderung, in der Aluminiumproduktion und in vielen Verpackungsbereichen unumstrittener Marktführer werden und einen Gesamtumsatz von 21,5 Millionen Dollar erzielen. Die bei dem Zusammenschluss erzielten Einsparungen werden vor allem zu Lasten des Arbeitsmarktes gehen. Fünf Prozent des Personals sollen abgebaut werden, natürlich „weitgehend über die normale Fluktuation“, wie Algroup-Chef Sergio Marchionne es ausdrückte.

Nur wenige Stunden nach der offiziellen Bekanntgabe des geplanten Zusammenschlusses konterte die Alcoa Inc. mit ihrem Übernahmeangebot für die Reynolds Metals Company. Die hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,9 Milliarden Dollar erzielt. Durch die Übernahme des zweitgrößten amerikanischen Aluminiumkonzerns könnte Alcoa wieder mit APA gleichziehen.

Branchenkenner mutmaßten, Alcoa wolle APA mit der Reynolds-Übernahme vor allem kartellrechtliche Steine in den Weg legen. Durch ein Zusammengehen der beiden US-Konzerne werde eine wettbewerbsrechtliche Genehmigung der Dreierfusion durch die US-Finanzaufsicht nicht gerade erleichtert. „Manchmal verfolgt ein Unternehmen eine Fusion nur deshalb, um den Rivalen ein geplantes Zusammengehen zu erschweren“, erläuterte Mark Schechter, Spezialist für Wettbewerbsrecht der Anwaltskanzlei Howrey & Simon. Bei der niederländischen ABN-Amro-Bank hieß es dagegen, dass gerade die „Gegenfusion“ von Alcoa den Weg für APA freimachen könnte. Durch eine zweite Fusion würde ein Gegengewicht entstehen. Unbedenklich ist die allerdings auch nicht. Denn Reynolds und Alcoa werden zusammen mehr als 40 Prozent des amerikanischen Aluminiummarktes kontrollieren.

Alles deutet darauf hin, dass derTrend zum Firmenzusammenschluss erstmal weitergehen wird. „Aluminium ist ein Elefantengeschäft. Da kann man als kleine Maus nicht mittanzen“, erklärte Josef Auer von der Analysten-Abteilung der Deutschen Bank. Seiner Meinung nach werden die Fusionen für „entsprechende Reaktionen auch bei den anderen Marktteilnehmern“ sorgen, zumal bei den Abnehmern genau das gleiche stattfinde, wie die Daimler-Chrysler-Fusion zeige.

Insgesamt sieht die Zukunft des Rohstoffs wohl eher rosig aus. Etwaige Substitutionsmaterialien, wie zum Beispiel Plastik, haben die Aluminiumhersteller mit Preissenkungen bisher immer aus dem Feld schlagen können. „Aluminium ist halt up to date“, wie Auer formuliert. Regionen, in denen die Industrialisierung noch nicht so weit fortgeschritten sei, hätten einen immensen Nachholbedarf. Der Weltverbrauch werde also weiter steigen. Aluminium wird als Werkstoff, der viel leichter ist als Stahl, unter anderem im Auto- und Flugzeugbau eingesetzt – und das immer häufiger. Denn wenn das Öl teurer wird, müssen Autos und Flugzeuge eben leichter werden. Constanze Oehlrich