Schön ist es, auf der Welt zu sein

Eine Viertelmillion in ein bisschen Frieden vereint: 250.000 Fans lockte der Hamburger Schlagermove auf den Kiez. Die feierten vor allem sich selbst  ■ Von Meike Fries

Ob das eine religiöse Veranstaltung sei oder nur Spaß, fragt der etwas verstört wirkende Gemüsehändler in der Davidstraße, bis zu dessen Ladentür die Töne vom Schlagermove zu hören sind. Beruhigende Antwort: „Ist nur Spaß“.

Wunder gibt es immer wieder. Dazu gehört auch, dass der deutsche Schlager weiterhin Konjunktur hat. Nachdem im vergangenen Jahr Guildo Horn als offizieller Vertreter Deutschlands zum „Grand Prix Eurovision de la chanson“ geschickt wurde, die grün-alternative Jugend forderte, Staatsgäste nicht mehr von Bundeswehrkapellen, sondern von Guildo Horn empfangen zu lassen, und die SPD zwecks Eroberung der Neuen Mitte mit Schlagern in den Wahlkampf zog, da ließ sich vermuten, der Höhepunkt sei nun erreicht und der Schlager bald in der Versenkung verschwunden. Pustekuchen: Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht.

Am vergangenen Samstag zog der dritte Hamburger Schlagermove in zwei Konvois mit rund 20 Wagen und 250.000 Besuchern über den Kiez. Anrührend war das nur dann, wenn am Straßenrand 70-jährige Spaziergänger stehenblieben, um mitzusingen. In „Ein bisschen Frieden“ vereinte der deutsche Schlager alle: die Kiezalkis und die Puffmütter, die Kinder und die Rollstuhlfahrer, die Buffalo-Boots- und die Birkenstockträger. Die Huren machten eine Pause und standen fußwippend und zaghaft mitsingend am Straßenrand.

Vor allem aber konnte man dabei zusehen, wie sich zigtausend aus allen Teilen der Republik angereiste Schlagerfans selbst feierten. Viele hatten sich große Mühe mit ihrer Verkleidung gemacht, wobei die 70er eindeutig trendsettend waren – vom knalligen Make-up mit Blümchen über Glockenärmel, Plüsch und Plateausohlen bis hin zum Dackelohrenkragen und dem breiten Schlips. Da sah man die stundenlange Eigenarbeit. Andere trugen alte DDR-Trainingsanzüge und schlecht sitzende Perü-cken und torkelten engagiert alkoholisiert neben den Wagen her. Schön ist es, auf der Welt zu sein.

Und politisch korrekt auch noch: Auf jedem Wagen prangte ein großer Aufkleber: „Schlager gegen Gewalt“. Für Ordnung und Sauberkeit sorgte der Kehrwagen, der gleich hinterher geschickt wurde. Der war auch nötig, denn ein gutes Geschäft machten sicherlich die findigen Jungunternehmer, die Bier und sonstige Alkoholika in Einkaufswagen feilboten. In einen Wettstreit um die meisten Besucher begaben sich die zahllosen Verteiler von Flyern, die ihre Schlager- und Schaumpartys für den Abend anpriesen. After-Move-Partys gab es auch privat. Da wurden dann die Schlagersampler ausgepackt, und die Party dauerte so lange, bis die Nachbarn schrien: „Macht den Schlagerscheiß aus, sonst hol-ich die Polizei.“ Ein bisschen Spaß muss sein.

Auf der NDR-Live-Bühne am Spielbudenplatz plauderten Ireen Sheer, Bata Illic und Costa sowie Lucas Cordalis mit der spröden Fernsehjournalistin Susanne Reimann über den deutschen Schlager und wie es damit weitergehen soll. Reimann: „Ihr seid ja nicht in den Siebzigern stehengeblieben. Lucas hat ja auch Beats auf die neue Platte gebracht.“ Mit Beats wird alles gut. Danach gefragt, was Costa Cordalis von Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn halte, antwortet der: „Schlager gegen Gewalt oder Rauschgift zu stellen, das ist für mich die Erfüllung des Lebens.“ Und Bata Illic bringt auf den Punkt, wovon Hunderttausende träumen: „Es muß eine Zukunft für den deutschen Schlager geben.“ Hossa!