Siddharta geht ins World Wide Web

■ Der indische Sarodspieler Ustad Amjad Ali Khan gab im KITO eines seiner seltenen und richtig Raga-seligen Konzerte

Wo war wohl am Samstagabend ein Großteil der einheimischen Hermann-Hesse-Gemeinde zu finden? Im KITO natürlich, denn man kann sich kaum einen besseren Soundtrack zu „Siddharta“ wünschen als die Ragas von Ustad Amjad Ali Khan. Und so wirkte das Publikum auf dem voll besetzten Holzdachboden fast so durchgeistigt wie der Meister selber. Da piepte kein Handy in die Raga-Seligkeit, nur einige Damen konnten (oder wollten?) hin und wieder ein dezent wohliges Seufzen nicht unterdrücken.

Ustad Amjad Ali Khan begann seinen Auftritt mit einer kurzen informativen Einführung, bei der er sein Sarod (Saiteninstrument ohne Bünde, das mit Plektron gespielt wird), die Instrumente seiner beiden Mitspieler (Tampura für die alles unterfütternden Grundakkorde und die Tablas für den Rhythmus) sowie das Grundprinzip der Ragas (Freiheit durch Disziplin: Improvisation innerhalb eines fest gesetzten Rahmens) vorstellte. Der erste nachhaltige Eindruck des Publikums war aber, dass man das Sarod mit seinen vielen Saiten ständig mühsam stimmen muss.

Vor jeder Raga, manchmal auch noch mitten in einer Improvisation drehte Amjad Ali Khan lange an seinem Instrument herum, aber seltsamerweise ermüdete dies nicht, sondern man bekam das Gefühl, hier Zeuge einer sakralen Handlung zu sein. Denn an der Art, wie er sein Instrument behandelte, und daran, wie er nach jedem Stück dankend die Hände faltete, merkte man, wie heilig die klassische indische Musik ihm ist. Seit dreihundert Jahren ist seine Familie eine ungebrochene Dynastie des Sarodspiels. Stellen Sie sich vor, ein Ur-Ur-Ur-Urenkel von Johann Sebastian Bach würde heute als Meisterorganist gefeiert werden; dies ist etwa die Stellung von Ustad Amjad Ali Khan in der Musikszene von Indien.

Natürlich kann man als normaler europäischer Zuhörer die Feinheiten solch einer hochartifiziellen Musik kaum erkennen, aber ihre Wirkung war auch so schon überwältigend. Die Spannungsbögen in den ausschweifend mäandernden Improvisationen, das Frage- und Antwortspiel zwischen Ali Khan und dem Tablaspieler Sukvinder Singh sowie die Intensität des Spiels mussten nicht erst erklärt werden, sie machten die Qualität des Spiels unmittelbar deutlich. Man konnte sich ganz leicht in diese Musik fallen lassen. Bei all ihrer Kompliziertheit wirkte sie nie schwierig.

Der gute Eindruck wurde nur gegen Ende des Konzerts von der Eitelkeit des Künstlers geschmälert, der sich bei seinen Ansagen etwas penetrant selbst feierte. Und der gesamte Bremer Hesse-Fan-Club war schließlich wie vor den Kopf gestoßen, als diese Verkörperung des reinen, klassischen Indiens schließlich das Publikum dazu einlud, ihn doch auf seiner Homepage im Internet zu besuchen. Auch Siddharta geht ins www. Wilfried Hippen