Salatkopf unter der Sprinkleranlage

Eigentlich war der Umbau von Karstadt am Hermannplatz schon 1989 geplant. Doch dann kam die Wende. Mit zehnjähriger Verspätung soll im kommenden Jahr nun alles fertig sein. Ein Streifzug durch eine Baustelle  ■   Von Kirsten Niemann

Der Bohrer setzt zum Getöse an. Doch die Frau hinter der Käsetheke zuckt mit keiner Wimper. „Entschuldigen Sie bitte, wo geht es denn hier in das richtige Kaufhaus?“

Rotgesichtig ist die Kundin und verschwitzt vom Abhecheln der endlosen Gänge zwischen U-Bahn-Zugang und Weinabteilung. „Da gehen Sie wieder ganz raus und vorne rein.“ Die Verkäuferin bleibt gelassen. Lärm, Staub und verwirrte Kunden auf 6.000 Quadratmetern Baustelle. Seit über einem Jahr gehört das Chaos im Hause von Karstadt am Hermannplatz zum Alltag. „Es war schon viel schlimmer“, meint die Käsefachkraft, „es kann also nur noch schöner werden.“

190 Millionen Mark wird der Umbau wohl schlucken. Die bisherige Verkaufsfläche von 21.000 Quadratmetern soll um 10.000 erweitert werden. Gläserne Fassaden sollen die kahlen Betonmauern am Hermannplatz ersetzen, innen wird alles licht und leicht. In Themenbereiche gegliederte Verkaufsflächen, Klimaanlagen und Service total: Die Post wird mit einer Filiale einziehen, ein Blumenladen soll kommen, eine Apotheke und der ADAC. Die Lebensmittelabteilung schickt sich gar an, mit Bierbrunnen und Schlemmerparadies die größte Fressabteilung neben der im KaDeWe zu werden.

Geschäftsführer Rainer Schierholz träumt von den Zuständen von 1929, als Karstadt am Hermannplatz noch das größte und schönste Warenhaus Europas war. Doch derzeit hockt er noch in einem provisorischen Büro, zwischen Baucontainern aus Wellblech und bröselnden Fassaden. Man muss sich halt einschränken, in gut einem Jahr soll alles fertig sein. Wie die Mitarbeiter mit der Baustelle zurechtkommen? „Wir haben einen wunderbaren Betriebsrat. Schließlich wollen wir doch alle ein schönes Warenhaus.“ Er sagt das in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.

Eigentlich war schon für 1989 ein Umbau geplant. Die Pläne waren längst abgesegnet. Doch dann kam die Wende. „Wir waren die Anlaufstelle Nummer eins. Das Haus wurde überrannt von den Mitbürgern aus dem Ostteil der Stadt“, erzählt Schierholz, der damals eigens für den Umbau hergeholt wurde. Natürlich wollte man den „Menschen aus dem Osten helfen“, denen zeigen, „was die westlichen Warenhäuser alles zu bieten haben“. Umbau verschoben. Die Konzernführung setzte Prioritäten und versorgte zunächst einmal die neuen Bundesländer mit Karstadt-Häusern. Nach der Fusion mit Hertie 1994 mussten zunächst die Hertie-Filialen mit ihrem verblichenen Siebziger-Jahre-Schick aufgemöbelt werden.

Während in den oberen Geschossen noch offene Decken klaffen, die Turnschuhe zwischen Lippenstiften und Pralinen lagern, ist unten in der Lebensmittelabteilung tatsächlich alles schon ein bisschen schöner geworden: Eine Sprinkleranlage besprüht den Salat im 10-Minuten-Takt. Freundliche Tütenpacker stehen hinter den Kassen und sollen die genervte Kundschaft bei Laune halten, die sich schließlich für das Mineralwasser noch einmal, drüben in der anderen Lebensmittelabteilung, in die Schlange reihen muss. Neu ist auch ein Serviceschalter, wo der Kunde sich gern mal beschweren darf, wenn seine Kundenkarte nicht funktionieren will. „Service wird bei uns künftig groß geschrieben“, so Schierholz. Paradiesische Zustände, quasi amerikanisch. Das Personal ist auf Freundlichkeit gedrillt. Kritik kommt nur verhalten. Und wenn der Presslufthammer im Erdgeschoss wieder einmal losdröhnt, grinst die Kassiererin mit leicht grimmigem Humor. „Na ja, eine Staublunge haben wir ja schon.“