Englisch ab der Ersten und Kopfnoten

■ Bei ihrem bildungspolitischen Kongress glänzt die CDU mit einem Mix aus Konservatismus und Moderne

Berlin (taz) – Auf den ersten Blick hat die Union ein klares bildungspolitisches Leitbild – die DDR. Bei einem Bildungskongress in Erich Honeckers Heimatstadt Saarbrücken knüpfte die Partei an vieles an, was in dem untergegangenen deutschen Staat schulischer Normalfall war: die so genannten Kopfnoten. Die will die CDU einführen und das Abitur auf zwölf Jahre verkürzen. Inhaltlich setzte sich der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble allerdings deutlich vom Schulwesen der DDR ab: „Die Bildung, die wir brauchen, muss die Freiheit unserer Kinder stärken“, sagte der Unionschef und Oppositionsführer im Bundestag.

Die CDU Deutschlands will mit einer Kombination aus Konservatismus und Moderne die Bildungspolitik wieder ins „Zentrum der großen gesellschaftspolitischen Reformprozesse“ rücken. Schäuble betonte einerseits die Bedeutung traditioneller Werteerziehung: „Wissen allein reicht nicht aus“, sagte er in Saarbrücken, „wenn es um die Praxis der Lebensführung geht, braucht es noch eine weitere Dimension: die der Werteorientierung.“ Andererseits zollt nun auch die CDU den Erkenntnissen der Soziologie der „Risikogesellschaft“ (Ulrich Beck) Rechnung. In Schäubles Worten: Es gelte „heute mehr denn je, dass die Zeiten eines verlässlichen, planbaren Lebensweges vorbei“ sind und „unsere Kinder in eine Welt hineinwachsen, in der Grenzen von Nationalstaaten weniger denn je wirklich eine Grenze darstellen.“ In der Konsequenz empfehlen die Christdemokraten, mit einer Fremdsprache bereits in der ersten Klasse zu beginnen. Die vielen Schulabbrecher und schlecht Qualifizierte will die CDU, anders als früher, nicht mehr aussortieren. Sie sollen „gezielte Beratung und Begleitung mit dem Ziel weiterer Qualifizierung und eine Beschäftigungsperspektive“ erhalten.

Selbst in der Frage, wie Bildungsreformen durchgesetzt werden sollen, geht die Union neue, flexiblere Wege. Das zwölfjährige Abitur erscheint in den verabschiedeten „Saarbrücker Thesen zur Bildungspolitik“ nicht etwa als Forderung ohne Wenn und Aber. Die Unions-Christen wünschen sich elegant, dass Jugendliche „flächendeckend die Möglichkeit erhalten, auch bereits nach zwölf Jahren Abitur zu machen“. Das bedeutet im Klartext, Expresszüge in den Gymnasien einzuführen. In Berlin haben die Schnellläufer-Klassen, die eine Jahrgangsstufe zum Abitur überspringen, zu einer gymnasialen Zwei-Klassen-Gesellschaft geführt.

Auch die Kopfnoten für Betragen im und fleißige Teilnahme am Unterricht macht die Union nicht direkt zur Bedingung. Sie findet in den zehn Thesen allerdings, dass die Verhaltensbeurteilung „im Hinblick auf soziales Verhalten und Schlüsselqualifikationen ... ins Zeugnis gehören“.

Nur bei einem Schulthema verstehen die Christdemokraten keinen Spaß, beim Religionsunterricht. Die CDU stehe „ohne Wenn und Aber zum Erhalt des Religionsunterrichts“ sagte Parteichef Schäuble, und er meinte nicht eigentlich Erhalt, sondern die Wiedereinführung von Religion als ordentliches Unterrichtsfach. Die Experimente in Berlin und Bremen, vor allem aber in Brandenburg, wo statt Religion Ethik gelehrt wird, sollen aufhören. Denn: Ein solches Konsumangebot hilft jungen Menschen nicht zu Orientierungsfähigkeit und autonomer Lebensgestaltung.“

Christian Füller