Mit Dynamit gegen die Vergangenheit

■ Die bulgarische Regierung will ein Mausoleum in der Innenstadt von Sofia beseitigen – mit allen Mitteln. Nachdem der Marmorklotz gegen Sprengstoff resistent ist, sollen jetzt Bagger her

Berlin (taz) – Dass es nicht so einfach ist, sich auf Knopfdruck mit Hilfe von 300 Kilo Dynamit seiner kommunistischen Vergangenheit zu entledigen, musste am Wochenende die bulgarische Regierung zur Kenntnis nehmen. Drei Versuche, das Mausoleum des ehemaligen bulgarischen kommunistischen Ministerpräsidenten Georgi Dimitroff im Zentrum Sofias zu sprengen, schlugen fehl. Die Detonationen brachten den massiven Klotz aus Marmor und weißem Stein zwar zum Wanken, nicht aber zum Einsturz.

Die unerwartete Widerstandsfähigkeit der einstigen Grabstätte rief sogleich die Sozialistische Partei (BSP) und Nachfolgeorganisation der Kommunisten auf den Plan. Der verpatzte Versuch illustriere die Unfähigkeit der Machthaber, hieß es in einer Erklärung. Auch ein Anhänger der Sozialisten, der dem Spektakel beigewohnt hatte, wusste sich vor Schadenfreude kaum zu fassen. „Die Munition reicht eben nicht aus, um unsere Ideen zu zerstören“, sagte er und riss den Arm in die Höhe.

Der Beschluss, das Mausoleum zu tilgen, geht auf eine Initiative des liberalen Regierungsbündnisses (SDS) unter Regierungschef Iwan Kostow von vergangener Woche zurück. Damit wollte die SDS eine neunjährigen erbitterten Streit über die Verwendung des Mausoleums endlich zum Abschluss bringen. Die Grabstätte war im Juli 1949 nur wenige Tage nach dem Tod des KP-Generalsekretärs Dimitroff zu dessen Ehre erbaut worden. Jahrzehnte lang defilierten mehr oder weniger freiwillig Schulkassen, Pioniere, Jungkommunisten und Neugierige am einbalsamierten Leichnam Dimitroffs vorbei. Im Juli 1990 wurden die wohl konservierten Überreste Dimitroffs aus dem Mausoleum entfernt und auf dem Sofioter Zentralfriedhof bestattet.

In der Folgezeit waren für den verwaisten Ort verschiedene Verwendungszwecke im Gespräch. Wollte die Nationalgalerie dort Gemälde deponieren, schlug der vorletzte, nichtkommunistische Staatschef Schelju Schelew vor, dort ein Pantheon für bulgarische Geistesgrößen einzurichten. Während der Demonstration von 1997, die die sozialistische Regierung unter Jean Widenow schließlich zu Fall brachten, diente das Mausoleum protestierenden Studenten als Kulisse für die Beerdigung des symbolisch in einen schwarzen Pappsarg eingepferchten Kommunismus.

Noch in der vergangenen Woche hatte ein Ministeriumssprecher gesagt, das Mausoleum müsse verschwinden, da es sich nicht in das architektonische Gesamtbild Sofias füge – was in der Konsequenz wohl bedeutet hätte, weite Teile des Zentrums der bulgarischen Hauptstadt einzuebnen. Am Rande der Sprengung wurde Premier Kostow am Wochenende deutlicher: „Das Mausoleum ist ein Symbol totalitärer Macht und eine Negation der parlamentarischen Demokratie.“ Das Zerstörungswerk sollen jetzt Bulldozer erledigen. Auch die könnten sich daran zunächst wohl ihre Baggerzähne ausbeißen.

Barbara Oertel