Traumhaus aus dem Müll der Reichen

Der Schwabe Michael Hönes baut im afrikanischen Lesotho Häuser und Möbel aus leeren Getränkedosen. Weil das ebenso umweltfreundlich wie billig ist, ist er offizieller Teilnehmer an der Expo 2000  ■   Von Judith Weber

Lesotho (taz) – Die Aludose ist zart, man darf ihr nicht zu viel zumuten. Weißblech ist da schon robuster: Zum Bett verarbeitet tragen die Büchsen ein Liebespaar. Coladosen, Bierdosen und Büchsen, in denen sich Bohnen befanden – Michael Hönes kennt sie alle. Hunderttausende hat er in den vergangenen acht Jahren verarbeitet – zu Tischen und Toiletten, Kiosken und Kompostbehältern, Hundehütten und ganzen Häusern.

Allein für sein Büro, den Sitz der Firma „Can Products“ im afrikanischen Königreich Lesotho, hat der Schwabe 8.000 Dosen aneinander gereiht. Die Büchsen stehen Bauch an Bauch und übereinander gestapelt. Zwei Drähte bohren sich durch ihre Taille, zwei weitere verbinden die Reihen von oben nach unten. In Lesothos Hauptstadt Maseru haben solche Bauten nichts Exotisches mehr. Die Büchsen ersetzen beim Hausbau Stein, Wellblech und Lehm; zu Möbeln verbunden sind sie die Alternative zum raren Holz.

In dem Land, in dem Dosen häufig genutzt werden, weil sie beim Transport auf zerfurchten Wegen nicht zerbrechen, ist die Idee eine Innovation. Der Müll bleibt nicht mehr auf den Straßen liegen, und wenn die Hütte, der Tisch oder das Bett nach rund 15 Jahren wacklig werden, landen sie in den Recyclinganlagen der Getränkehersteller. Nebenbei etabliert sich sachte ein neues Handwerk, das auch Straßenkinder ohne Schulbildung und Behinderte erlernen können: das des Dosenarchitekten oder Büchsenmöbelbauers. VertreterInnen der Regierung hat Hönes schon von seinem Konzept überzeugt. Ein Buch mit Bauanleitungen ist veröffentlicht; in Brasilien und Botswana wird die Idee bereits nachgeahmt. Im Juni nächsten Jahres wird der Deutsche als einer der offiziellen Gesandten Lesothos zur Expo 2000 nach Hannover reisen (siehe Kasten) – um der Welt zu zeigen, „dass es in Afrika neue Ansätze im Recyclingbereich gibt“.

Seinen KundInnen in Lesotho verkauft er Ökologie durch die Hintertür. Die meisten von ihnen sind arm; sie wohnen in Dosenhäusern, weil die billig sind. Ein Haus aus Büchsen kostet nur ein Viertel eines Steinhauses. Außerdem isolieren die Gebäude besser, sind stabiler und schöner als die Wellblechhütten, mit denen sich die Menschen sonst oft behelfen. Doch wer bei „Can Products“ kauft, kann sich selbst kaum eine Dose Cola leisten, die Armen leben im Müll der Reichen.

Als sich Hönes vor acht Jahren in eine Frau aus Lesotho verliebte und nach Afrika zog, klaubte er die Büchsen noch selbst von der Straße – für den Eigenbedarf. Das Paar brauchte schließlich Möbel. Bald jedoch fragten auch Verwandte und Freunde nach Kinderbetten, Hundehütten oder Öfen aus Dosen. Außerdem bastelte der Maschinenbau-Student – gefördert von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) – Umrandungen für Feuerstellen, die die Hitze reflektieren und so Energie sparen. “Dass das alles so groß wird“, wundert er sich jetzt, „hätte ich nicht gedacht“.

Mittlerweile verarbeitet seine Firma gut fünf Prozent aller leeren Dosen, die in Lesotho anfallen. MitarbeiterInnen sammeln sie von den Straßen, und einmal pro Woche werden Hotels und Restaurants abgeklappert. Meist sind es Frauen, die ein Haus aus der Dose kaufen. Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Männer Lesothos arbeitet im Nachbarland Südafrika; die zurückbleibenden Mütter bringen die Kinder allein durch. In den Büchsenhütten eröffnen sie Läden oder kleine Restaurants, und eine Verwaltungsangestellte ließ sich einen Hühnerstall bauen. Weil die Dosen gut isolieren, erfrieren die Tiere nicht, und ihre Besitzerin kann das ganze Jahr über Eier und geschlachtete Hennen verkaufen.

Aus welchen Getränkesorten die Wände bestehen, ist Hönes KundInnen sehr wichtig. Viele lehnen Bierdosen ab, um keine Werbung für Alkohol zu machen. Dann heißt es sammeln, bis genug Cola-Dosen für eine rote und ausreichend Sprite-Behälter für eine weiße Wand am Lager sind. Andere KäuferInnen mögen gar keine Markennamen sehen: Ihre Wände werden mit roter Rostschutzfarbe gestrichen, die wie Backstein und damit wertvoller aussieht.

Ein Kioskbesitzer in Maseru verdankt seinen Erfolg gar ausschließlich den Dosen. Sein Geschäft musste mit einem alteingesessenen konkurrieren – kein Problem dank der kreativ gestalteten Theke aus lila Brause- und grünen Bierdosen. Sie war wochenlang Gesprächsthema Nummer eins im Viertel. Die Nachbarn kamen, schauten – und kauften. Wenn jetzt noch einige Sothos selbst Dosenhütten herstellen würden, grübelt Hönes, „dann hätte ich mein Ziel erreicht“.

Zusammen mit kirchlichen Trägern bildet er Arbeitslose zu Büchsenarchitekten aus, seine sechs Angestellten ermutigt er, eigene Firmen zu gründen. Dass er sich damit die eigene Konkurrenz aufbaut, stört den 35jährigen nicht. „Ich will einfach nicht immer der Boss sein oder groß Geld verdienen“, erklärt er. „Ich will nur zeigen, dass das System funktioniert. Dann kann ich andere Projekte angehen.“ Dächer aus Tetra-Paks möchte er basteln, oder Sofalehnen, ausgestopft mit Plastiktüten. Und irgendwann ein ökologisches Traumhaus, von oben bis unten aus Müll gemacht.