13 Millionen Bankkonten unter einem Dach

Die Dresdner Bank spricht mit der Deutschen – wenn sich schon die ganze Branche ändert  ■   Von Ulrike Fokken und Reiner Metzger

Berlin (taz) – Sie waren die Erzkonkurrenten in der hiesigen Finanzbranche. Aber reden tun sie miteinander, die Deutsche und die Dresdner Bank – nur „unverbindlich“ und „auf Expertenebene“, doch immerhin. Als „eine von vielen Möglichkeiten“ wird erwogen, dass Deutschlands Nummer eins und Nummer drei ihre Filialgeschäfte zusammenlegen. Das wären 6,8 und 6,0 Millionen Kleinkunden unter einem Dach, das dann wahrscheinlich Bank 24 heißen würde. Wie die kommende Privatkundentochter der Deutschen Bank.

Die Kunden müssten sich an neue Konten und Scheckkarten gewöhnen, alle Daueraufträge wären zu ändern. „Auch besteht die Gefahr, dass sich für kleine Kunden der Trend zu Standardisierung in der Beratung weiter verstärkt“, meint Thomas Bieler, Bankenexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Viel heftiger allerdings wären die Auswirkungen der Fusion für den europäischen Bankensektor. Wenn die Franzosen heute ebenfalls einer nationalen Lösung zustimmen (siehe Text unten links), entstünde ein Trend im Euroraum: Es wird nicht länderübergreifend europäisch und im munteren Wettbewerb fusioniert. Stattdessen bilden sich nationale Riesen, die sich misstrauisch über die Grenzen hinweg beäugen. Laut einer Sprecherin der Dresdner Bank wird die Entscheidung, in welche Richtung auch immer, noch nicht in den nächsten Wochen fallen. Eine Firmenehe sei schließlich eine komplizierte Materie. Zudem würden zehntausende von Arbeitsplätzen hin- und hergeschoben.

Die Bankenbranche wird durcheinandergewirbelt, weil sich die Gewinnzonen in der Branche derzeit rasant verschieben. Die Banken schöpfen immer weniger Profit aus dem ursprünglich mit ihnen in Verbindung gebrachten Geschäft: dem Leihen und Verleihen von Geld. Dank der nicht nur in Deutschland niedrigen Zinsen, ist die Spanne zwischen dem Zinssatz, zu dem Banken ihrerseits Geld bei der Bundesbank leihen und es wieder an Kunden verleihen, in den vergangenen Jahren beständig gesunken. Noch 1994 hatten deutsche Banken dabei einen Spielraum von zwei bis drei Prozent. 1999 ist die Gewinnspanne auf ein Prozent gesunken.

Durch den Euro schwindet auch das lukrative Devisengeschäft, das bislang zwischen 40 und 80 Prozent zum Gewinn einer normalen Geschäftbank beigetragen hat, wie die Unternehmensberatung McKinsey errechnet hat: Von 100 Milliarden Dollar Gewinnen, die in den Devisengeschäften Europas bislang steckten, sollen künftig rund ein Viertel wegfallen.

Das Geschäft mit der Masse von Privatkunden, die Miete und Gehalt über das Girokonto abwickeln und allenfalls einen Kleinkredit brauchen, rechnet sich für die Großbanken nicht. „Viele Kleinkunden brauchen halt viele Mitarbeiter“, sagt Sigrid Betzen vom Bankangestellten-Verband. Und Mitarbeiter sind in Deutschland bekanntermaßen kostenintensiv.

Die Banken investieren daher Milliarden in neue Software und Computer. Auf 16 Milliarden Mark schätzt das britische Marktforschungsinstitut Datamonitor die Ausgaben der deutschen Banken in diesem Jahr für neue Technik. Mit ihr sollen die Kunden ihre Kleinaufträge selbst erledigen. Angesichts solcher Investitionen lohnt sich das Nachdenken über eine Fusion des Privatgeschäfts.

Rund 100.000 Bankangestellte werden durch die Automatisierung in den nächsten vier Jahren ihren Arbeitsplatz verlieren, schätzt Gewerkschaftssekretär Stocken. Und die Mehrheit der in der Branche verbleibenden rund 330.000 Angestellten wird einen Arbeitsalltag erleben, wie ihn Industriearbeiter seit Jahrzehnten kennen. Die Arbeit wird eintönig und beliebig.

Auch die Call-Center der Telefonbanken werden die wegfallenden Arbeitsplätze nicht ausgleichen können, glaubt Rolf Stocken. „Vor allem steht der Beweis, dass die Call-Center profitabel sind, noch aus.“ Mit anderen Worten: Auch diese Arbeitsplätze sind nicht langfristig gesichert.

Stürzen sich die deutschen und ausländischen Großbanken auf die Konzerne, bleibt hunderten von Sparkassen und rund 2.200 Genossenschaftsbanken das Geschäft mit den Privatkunden und den kleinen und mittelständischen Betrieben. „Wenn die Großen ihren Konzernkunden in der Globalisierung folgen, machen sie uns die Märkte vor Ort frei“, sagt Armin Kloß vom Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken.

Doch auch die Hausbanken des breiten Mittelstands spüren die Folgen der Globalisierung. Außerdem wünscht sich ihre Kundschaft ebenfalls saftige Renditen auf das Vermögen, das sie den Banken überlassen. Die können aber auch die Genossenschaftsbanken nur zahlen, wenn sie selbst international an den Börsen tätig sind. Dafür jedoch benötigen sie Kapital, um sich technisch aufzurüsten.

Die Unternehmensberatung A. T. Kearney kommt daher in einer bislang nicht veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass sich die 2.200 Genossenschaftsbanken zusammenschließen müssen, um überhaupt zu bestehen. 800 von ihnen sollen laut der Studie nach der Fusionswelle unter den Kleinen überleben. Die Auswahl für die Kunden schwindet.