Südafrika im Generalstreik

Öffentlicher Dienst streikt gegen Privatisierungskurs der ANC-Regierung. Kommunistische Arbeitsministerin droht Streikenden mit der Polizei    ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Südafrikas öffentlicher Dienst lässt es auf eine Kraftprobe mit der neuen Regierung von Präsident Thabo Mbeki ankommen. Zehntausende von Angestellten im öffentlichen Dienst folgten gestern einem Aufruf von 12 Einzelgewerkschaften zu einem eintägigen Streik und versammelten sich in den großen Städten zu Protestkundgebungen. Zwar war am frühen Nachmittag noch nicht überschaubar, wie viele Angestellte tatsächlich der Arbeit ferngeblieben waren. Die meisten Schulen und Behörden aber blieben geschlossen oder arbeiteten mit einer Notbesetzung, und Tausende von Krankenschwestern traten ebenfalls in den Streik. Im Krankenhaus der Stadt Johannesburg etwa wurden Patienten erst nach sieben bis acht Stunden behandelt, Routineoperationen konnten nicht durchgeführt werden.

Im größten Arbeitskonflikt in Südafrika seit dem Fall der Apartheid vor fünf Jahren geht es vordergründig um einen Tarifstreit mit der Regierung. Während die Gewerkschaften eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 7,3 Prozent und für Lehrer 8,3 Prozent fordern, unterbreitete die Regierung in den Verhandlungen ein letztes Angebot von 6,3 Prozent. Damit allerdings waren die Gewerkschaften nicht zufrieden und brachen vorerst alle weiteren Gespräche ab. „Das sogenannte letzte Angebot der Regierung führt praktisch zu einer Reduzierung der Gehälter und des Lebensstandards“, hieß es in einem Memorandum, das Streikende der Regierung in Pretoria gestern überreichten.

Tatsächlich liegt die Inflationsrate in Südafrika bei knapp 8 Prozent. Die neue Ministerin für den öffentlichen Dienst, Geraldine Fraser-Moleketi (ANC), aber gab bislang nicht nach. Zwar ist sie Mitglied der Kommunistischen Partei (SACP), die gemeinsam mit dem Gewerkschaftsverband Cosatu und dem ANC noch immer eine aus dem Befreiungskampf stammende Dreierallianz bildet. Bisher jedoch vertrat die Ministerin die Linie Mbekis und drohte Streikenden in der Polizei und anderen wichtigen Dienstleistungen sogar mit harten Maßnahmen wie Entlassungen. Erst wenige Stunden vor dem Beginn des Streiks entschloss sich daraufhin die Polizeigewerkschaft, nicht an dem Arbeitskampf teilzunehmen.

Für Nelson Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki hat die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Dienst aber erst begonnen. Noch immer arbeiten dort mehr als eine Million Menschen. Der öffentliche Dienst ist der größte Arbeitgeber in Südafrika – und innerhalb des Gewerkschaftsverbandes nun stärkste Kraft. Auf einem Cosatu-Sonderkongress in der vergangenen Woche wurde erstmals ein Mitglied des öffentlichen Dienstes zum Präsidenten gewählt. Doch viele Angehörige der noch aus der Apartheidzeit stammenden Verwaltung sind korrupt und ineffektiv.

Angesichts einer Arbeitslosenquote von über 30 Prozent lehnen die Gewerkschaften und die Kommunistische Partei die liberale Wirtschaftspolitik der einstigen Befreiungsbewegung ab. Der ANC indessen will nun endlich anfangen, staatliche und halbstaatliche Betriebe wie die Post, die Telefongesellschaft und die Bahn zu privatisieren. Dabei aber, so befürchten die Gewerkschaften, werden erneut Zehntausende von Arbeitsplätzen verlorengehen.