: Der Koenig der Feuerwehrmänner
Der Frankfurter Dezernent für Umwelt, Energie und Brandschutz liebt Feuerwehrmänner und wird nun selbst einer: Der Grüne Tom Koenigs wird neuer UN-Verwaltungschef für das Kosovo ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt
Für die Fundamentalisten seiner Partei war Tom Koenigs, der langjährige Weggefährte von Außenminister Joschka Fischer, in den 80er-Jahren ein rotes Tuch. Und rotes Tuch bevorzugt der Grüne auch heute noch, wenn er mit dem Dienstfahrrad in der Mainmetropole unterwegs ist.
Am liebsten im roten Hemd rast der noch amtierende Dezernet für Umwelt, Energie, Brandschutz (!) und ehemalige Frankfurter Stadtkämmerer durch die Hochhauslandschaft. Vielleicht auf „Dienstreise“ zum Feuerwehrstützpunkt Bockenheim?
Der heute 55 Jahre alte Bankierssohn Thomas Koenigs liebt die Feuerwehr. Der Ex-Apo, der 1969 sein geerbtes Vermögen dem Vietkong für den „Sieg im Volkskrieg“ schenkte, steht auf Feuerwehrfesten auch gerne mal selbst am Grill und trinkt dazu tapfer den selbstgekelterten Apfelwein. Ein Populist? Ja. Aber keiner aus Berechnung. Die Sympathie für die so genannten kleinen Leute ist echt. Sie basiert auf der sozialistischen Sozialisation des Citoyens. Der Betriebswirt und Ex-Tutor für Wissenschaftstheorie und Politische Ökonomie an der FU in Berlin arbeitete in den 70er-Jahren als Schweißer, Elektromechaniker, Taxifahrer und Buchhändler.
Jetzt wird Koenigs „Feuerwehrmann“ auf dem Balkan. Gestern wurde er von UN-Generalsekretär Kofi Annan offiziell als Leiter der so genannten vierten Säule der zivilen Verwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo berufen. Ein funktionierendes Polizei- und Justizwesen soll er dort aufbauen; und ein Verwaltungswesen – inklusive Feuerwehr.
Eigentlich hatte schon ein Franzose den Job. Doch weil der Chef der gesamten zivilen UN-Mission, Bernard Kouchner, Franzose ist, und die Vereinten Nationen alle Positionen „international“ besetzt sehen wollen, ist jetzt ein Deutscher dran. Koenigs.
Endlich kommt damit der erwartete Karrieresprung für Fisherman's Friend, der nach der von SPD und Bündnisgrünen gewonnenen Bundestagswahl – ganz überraschend – im Auswärtigen Amt von Joschka Fischer nichts wurde. Fischers Büroleiter war Koenigs schon während der ersten rot-grünen Koalition in Hessen (1985–87); und die „graue Eminenz“ der Landtagsfraktion bei den Haushaltsberatungen. Nach dem Bruch dieser Koalition wurde Koenigs 1989 in Frankfurt Umweltdezernet und später der erste grüne Kämmerer einer deutschen Großstadt.
Die Medien rissen sich um den zum Dozieren neigenden Koenigs. Als dann die als „Schweine“ bekannt gewordenen SPDler die Wahl des Grünen Lutz Sikorski zum Umweltdezernenten verhinderten, übernahm Koenigs auch dieses Ressort. Der Doppeldezernent auf dem Höhepunkt der – kommunalen – Macht.
Doch von da an ging's bergab. Nach diversen weiteren Eskapaden der Frankfurter Sozialdemokraten gewann Petra Roth (CDU) die Oberbürgermeister-Direktwahlen. Koenigs verlor die Kämmerei. Und SPD und Grüne fielen bei den letzen Kommunalwahlen 1997 durch. Nach der verheerenden Wahlniederlage vom 7. Februar 1999 für die Bündnisgrünen in Hessen, die von der Basis dem „Überbau“ angelastet wurde, übernahm er die Verantwortung für das Desaster – und trat als Landesvorsitzender zurück. Koenigs auf dem Tiefpunkt.
Der Ruf aus New York (UN) ereilte ihn also zum richtigen Zeitpunkt. Fischer wird da nachgeholfen haben – inoffiziell. Eine Verwaltung aufzubauen, ist Koenigs durchaus zuzutrauen. Das er mit solch komplizierten Strukturen zurecht kommt und in einer verfilzten Verwaltung wie die in Frankfurt aufräumen kann, hat er bereits unter Beweis gestellt.
Dennoch ist die Aufgabe im Kosovo ungleich schwieriger. Der schleppende Aufbau der UN-Verwaltung wurde über Wochen auch von Offizieren der Friedenstruppe KFOR beklagt. Das Machtvakuum im Kosovo ist auch politisch ein Minenfeld. Streit gibt es vor allem um die Anwendung der alten serbischen und jugoslawischen Gesetze. Die selbsternannte Übergangsregierung des UÇK-Führers Hashim Thaci versucht durch die Verabschiedung eigener Gesetze Tatsachen zu schaffen. Viele Verwaltungsdokumente, die etwa Landbesitz belegen, wurden gezielt zerstört oder gingen verloren. Auch die Zusammensetzung der einheimischen Polizeitruppe ist für die Bevölkerung hochpolitisch. Dagegen dürfte der Aufbau der Finanzverwaltung – von Zollabfertigung bis Steuererhebung – für Koenigs ein Kinderspiel sein.
In Frankfurt bleiben unterdessen ratlose Grüne zurück; das Amt des Umweltdezernenten wird nach Koenigs nun sofort ein Christdemokrat übernehmen.
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