Hausse der Troubadoure

■ Der rüstige Altherren-Move der Vieja Trova Santiaguera ebnete den Weg für den Erfolg des „Buena Vista Social Club“

Nichts liebt der Kapitalismus so schrankenlos wie seine allerletzten Feinde, zumal dann, wenn sie so rührend exotisch daherkommen wie die Kubaner. Musik von der Zuckerinsel ist total angesagt, in allen Mischungen von latino- mittelscharf bis traditionell-zuckrig. Die Varianten dieser Musikkultur umfassen Son und Guaracha, Bolero und Chachachá, reichen von Big- Band-Bläsersätzen bis zu Herz-Schmerz-Balladen. Und all das wird vorgetragen von einer seit langem rentenberechtigten Großvätergeneration,die bereits vor Castros Revolution im Geschäft war.

Schon bevor die Musiker des Buena Vista Social Club aus Havanna mit Hilfe von Ry Cooder und Wim Wenders weltweit bekannt wurden, hatten 1993 einige Herren aus der östlichen Inselhauptstadt Santiago de Cuba beschlossen, wieder Musik zu machen. Sie und ihre Bands waren in der noch immer bestehenden „Casa de la Trova“ aufgetreten, und so nannten sie ihre Alters-Reunion nach diesem Haus der Troubadoure „Veija Trova Santiaguera“.

Hatte die Revolution ihnen ermöglicht, ohne Nebenjobs von ihrer Musik zu leben, so war es die alte Kolonialmacht Spanien, die nun via Madrid die europäische Wiederentdeckung betrieb, Platten produzierte und zum Backstage- Film Lagrimas Negras (Schwarze Tränen) verhalf, den die holländische Regisseurin Sonja Herman Dolz über die alten Herren in der traditionellen Musikhaupstadt Cubas und auf Tournee drehte.

Die Musiker schätzen Fragen nach ihrem Alter gar nicht: „Älter als gestern und jünger als morgen“ ist die Parole eines Lebens für die Musik, die im Moment der Bühnenpräsenz tatsächlich zeitlos wirkt. Kein Wunder, dass behauptet wird, diese Musik habe Heilkraft. So präsentieren also erstklassig konventionell gekleidete Gigolos im Alter von achtzig Jahren stimmungsvolle Musikgeschichte mit ansteckendem Optimismus. In ihren eigenen Worten sagt es eine Strophe aus dem Chachachá „Rico Vacilon“: „Nicht jeder Dieb ist schlecht / nicht jeder ist ein Dieb, der raubt / wenn er Dir das Herz raubt / wie es Vieja Trova tut.“.

Also dann: Rum her, eine Cohiba zwischen die Lippen, den Partner elegant umfasst und das Tanzbein geschwungen, Chachachá, ya. Doch Obacht: Das letzte Fabrik-Konzert der Gruppe im April war komplett ausverkauft. Auch diesmal gibt es nur noch Restkarten. Hajo Schiff

Donnerstag, 26. August, 21 Uhr Fabrik