Opa-Export aus Kuba

■ Bremen im Kubafieber: Beim Konzert der „Vieja Trova Santiaguera“ platzte das Moments aus allen Nähten

Kurz vor zwanzig Uhr war die Menschentraube vor dem „Moments“ so groß, dass die Straßenbahn sich vorsichtig ihren Weg bahnen musste. Da half auch das kurzfristig für den nächsten Tag angesetzte Zusatzkonzert nicht: am Mittwochabend mussten viele Wartende traurig wieder abziehen, denn die Eintrittkarten für „Vieja Trova Santiaguera“ waren längst ausverkauft. Kubas Opas sind zur Zeit begehrter als Zigarren und Rum, und diese „alten Troubadoure aus Santiago“ waren schon Jahre vor dem Erfolg des „Buena Vista Social Club“ auf Tournee in Europa. Ihre Musik ist purer, rauher, nicht so gefällig wie die der berühmteren Kollegen. Sie spielen mit sparsamsten Mitteln – Gesang, Gitarren, Bass und einfachen Holzschlaginstrumenten – den traditionellen son, der sich allerdings in viele verschiedene Rhythmen, Tänze und Stilformen auffächert.

„Salsa“ rief ein begeisterter (wenn auch unberatener) Bremer zwischen zwei Liedern den Musikern zu, und der Frontmann Manuel Galbán (Jahrgang 1931) konterte leicht konsterniert mit einer langen Reihe von präziseren Definitionen ihre Kunst: „Rumba, Bolero, Guaracha, Tren, Cha-Cha-Cha usw.“

Auch sonst redete Galbán ein bisschen zu viel. Nicht alle im Publikum verstanden sein Spanisch so gut, dass sie mitlachen konnten. Aber seine langen Ansagen hatten offensichtlich taktische Gründe. Denn durch sie verging etwa ein Viertel des Konzerts, ohne dass die fünf alten Männer sich musikalisch verausgaben mussten. Und man sah durchaus, dass solch ein Auftritt für sie schwere Arbeit war. Besonders in der Hitze und schlechten Luft des extrem vollen Moments war das Musizieren (und Zuhören) kein reines Vergnügen.

Aber wenn sie loslegten, war all das zweitrangig. Die fünf Kubaner werden so eins mit ihrer Musik, dass alles völlig natürlich aus ihnen he-rauszufließen schien. Bassist Aristoteles Limonta (geb. 1913) ist der Minimalist der Gruppe. Er verzog nie eine Miene, schien über seinem Instrument fast einzunicken und spielte dennoch (traumhaft?) sicher seine Basslinien.

Reinaldo Creagh Verane (geb. 1918) sang die romantischen sons mit weicher, brüchiger Stimme und tanzte trotz Krückstock mit verführerischer Eleganz und leicht frivolem Hüftschwung. Quasselstrippe Manuel Galbán war die Stimmungskanone auf seiner virtuos, aber scheinbar ohne jede Anstrengung gespielten Gitarre, die er jeweils bei den feurigen Gesängen zum Einsatz brachte. Die beiden Jünglinge der Band (mit weniger als 70 Jahren auf dem Puckel) waren da nicht viel mehr als blasse Zuspieler.

„Vieja Trova Santiaguera“ kokettierten heftigst mit ihrem Alter. Aber diese Show hätten sie sich auch sparen können, denn letztlich begeisternd war die Art, wie sie mit jedem einzelnen Stück das Publikum mitrissen. Den kubanischen son gab es hier verfeinert durch seine besten Jahrgänge.

Wilfried Hippen