Ruhe in Friedrichshain
: Abschied von Defender

■ Die Bewohner der Rigaer Straße 84 trauern um ihre geliebte Zwischentür

Nur ein trauriges Schluchzen durchdrang am Dienstag Abend die Stille in der Rigaer Straße in Friedrichshain. Dort, wo sonst die fröhliche, ausgelassene Stimmung der Bewohner und Besucher der ehemals besetzten Häuser die Anwohner um den Schlaf und die Polizei auf Trab bringt, war Trauer angesagt. Ein schwarzer Block mit etwa 100 Teilnehmern versammelte sich am Bersarinplatz, um sich von Defender zu verabschieden: der Zwischentür aus der Rigaer Straße 84.

Jahrelang diente diese Stahltür, die im Treppenhaus das Erdgeschoss von der ersten Etage trennte, als Wohnungstür für die Bewohner des ehemals besetzten Hauses. In ihrem Schutz und Geborgenheit entwickelte sich eine Wohngemeinschaft, in der es keine verschlossenen Wohnungen gab. Doch am Montag Nachmittag setzte die Brandschutzverordnung der Tür ein Ende. Hindernisse im Treppenhaus werden nicht geduldet. So wurde Defender im Auftrag der Hausverwaltung und unter Polizeischutz entfernt. Mit der Trauer um den Verlust geht die Anonymisierung des Treppenhauses einher. An Stelle von nachbarschaftlicher Beziehung, die eine Wohngemeinschaft ausmacht, trat die in normalen Wohnhäusern übliche Kälte.

Dem Anlass angemessen waren die Trauergäste einheitlich in schwarzer Kleidung erschienen. Manche hatten sogar ihre Familienbibeln entstaubt. Ein schwarz Befrackter hatte seinen fröhlich-bunten Haarkamm unter einem schlichten Zylinder verborgen. Schluchzend entzündeten die Anwesenden Kerzen für die verlorene Tür. Ein in ein Priestergewand gekleideter Bewohner des Hauses erinnerte an die vielen schönen Stunden und Erlebnisse, die mit der Tür zusammenhängen. Sie werde „in den Herzen der Bewohner weiter leben“, meinte er und nutzte die Gelegenheit für eine kurze Andacht, bevor sich der Zug in Bewegung setzte. Würdevoll schritt die Gemeinde zur Rigaer Straße Nummer 84, wo Defender den größten Teil ihres Lebens verbrachte. Ein Blumenkranz zeugt von der Anteilnahme der Gemeinde mit dem Haus, aus dessen Mitte die Tür gerissen wurde.

Dann ging es weiter in Richtung Bezirksamt Friedrichshain. Eine erweichende Rede des Priesters beendete den Trauermarsch. Selbst ein unbeteiligter Polizeibeamter konnte sich bei der einfühlsamen Rede, die gelegentlich durch lautes Seufzen der Trauernden übertönt wurde, nur schwer die Tränen verkneifen. Der Rest der etwa zwei Hundertschaften der Polizei, die zum letzten Geleit der ordnungswidrigen Stahltür erschienen waren, hielt sich vornehm im Hintergrund. Maurice Schuhmann